Marseille, den 24. April 2005

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Eine schlechte Verfassung

die ein verborgenes Krebsgeschwür unserer Demokratie ans Licht bringt*

 

 

Liebe Kollegen und Freunde,

 

Nach sechs Monaten intensiven Nachdenkens zeichnet sich eine Reihe von Argumenten zum „Verfassungsvertrag“ ab, die von ihm aus-, aber über ihn hinausgehen, Argumente, die weder rechts noch links liegen, sondern die jenseits aller Politik eine historische Gefahr für uns alle aufzeigen. Aus diesen Gründen dürfte diese kurze Argumentationsreihe Bürger gleich welcher Zugehörigkeit interessieren.

 

Vor sechs Monaten, im September 2004, stimmte ich dem Text ohne ihn gelesen zu haben grundsätzlich zu, ”damit es weitergeht”, selbst wenn ich genau wußte, dass die Einrichtungen sehr unvollkommen waren.   Ich wollte nicht zu denen gehören, die Europa bremsen. Ich glaube wirklich, dass jenseits einer Spaltung in rechts/links diese schöne Idee eines geeinten, eines brüderlicheren, stärkeren Europa einer überwältigenden Mehrheit von Europäern zusagt. Es ist ein Traum vom Frieden, der auf einem mehrheitlichen Konsens fußt.

 

Ich hatte den Text nicht gelesen und hatte auch überhaupt keine Zeit dazu: zuviel Arbeit. Europa ist fern, und ich fühlte mich durch die Zahl geschützt: im Fall eines Abgleitens würde es schon ein paar geben, um uns zu verteidigen … und so verzichtete ich darauf, „Politik zu machen”, d.h.,  ich verzichtete darauf, mich um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.

 

Es kamen bereits Aufrufe gegen den Vertrag auf, aber sie kamen von den äußersten Rändern des politischen Schachbretts und aus diesem einfachen Grund habe ich mir nicht einmal die Mühe gemacht, ihre Argumente zu lesen, und ging vertrauensvoll im Meinungsstrom der größten Zahl mit, ohne die Überzeugungskraft der vorgebrachten Ideen selber nachzuprüfen.

 

Und dann kamen plötzlich Aufrufe von Leuten, die nicht im Verdacht stehen konnten, anti-europäisch zu sein. Ich habe also ohne Rücksicht auf Etikettierungen ihre Aufrufe gelesen, und ich habe die Argumente sehr triftig gefunden. Ich habe mich ans Lesen gemacht, ich habe sehr viel gelesen, ganze Bücher jeder Richtung, Fabius, Strauss-Kahn, Giscard, Jennar, Fitoussi, Généreux, usw. und nochmehr Artikel von Befürwortern des Vertrags, weil ich sicher sein wollte, dass ich mich nicht täusche. Und je mehr ich lese, desto besorgter bin ich. Heute denke ich ständig daran, ich schlafe schon fast nicht mehr, ich habe ganz einfach Angst, das Wesentliche zu verlieren: den Schutz vor der Willkür.

 

Ich lese heute weiterhin sämtliche Beiträge, solche die dafür sind, wie solche, die dagegen sind, ich suche weiterhin danach, wo es eine Unschlüssigkeit in der Folgerichtigkeit meines Denkens gibt und der vorliegende Text ist ein Aufruf, nachzudenken und weiterzukommen: sollte Ihnen eine Unschlüssigkeit auffallen, reden wir bitte darüber, ruhig, ehrlich, das ist wichtig. Ich kann mich täuschen, was ich wirklich zu vermeiden suche, überlegen wir gemeinsam, wenn Sie gerne mitdenken wollen.

 

Ich merke, dass es meine Aufgabe als Lehrer für Recht [1] ist, ein bißchen mehr als andere mit meinen Kollegen, aber auch mit meinen Schülern, mit den Journalisten darüber zu reden. Ich wäre ein Komplize, wenn ich den Mund halten würde.

 

So habe ich mehr als zehn schwerwiegende Gründe gefunden, die gegen diesen außerordentlich gefährlichen Text sprechen, und noch zehn andere Gründe, einen unerfreulichen und in Wirklichkeit völlig uneinträchtigen Text abzulehnen. Aber die fünf maßgeblichsten, überzeugendsten Gründe, die, die sich weil sie gerade die Möglichkeit, über Politik nachzudenken, in Frage stellen, quer durch alle politischen Meinungen ziehen, sind mir erst spät aufgefallen, denn man muss viel nachdenken, um sie ans Licht zu bringen. Es sind eben diese Gründe, für die ich Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen möchte und für die ich Sie um Ihre Meinung bitte, damit wir gemeinsam darüber reden, denn die Journalisten geben uns keine Möglichkeit zu öffentlichen Debatten.

 

In dieser Staatsangelegenheit werden die Grundlagen des Verfassungsrechts herunter gemacht, was fünf traditionelle Grundsätze in den Vordergrund rückt, die geschaffen worden sind, um die Bürger zu schützen.

 

1.    Eine Verfassung muss gut lesbar sein, um eine Volksabstimmung möglich zu machen: der zur Abstimmung stehende Text ist nicht lesbar.

2.    Eine Verfassung schreibt nicht die eine oder andere Politik vor: der zur Abstimmung stehende Text ist parteilich.

3.    Eine Verfassung ist änderbar: der zur Abstimmung stehende Text ist aber durch die Forderung nach doppelter Einstimmigkeit verriegelt.

4.    Eine Verfassung schützt vor Gewaltherrschaft durch Gewaltentrennung und die Kontrolle der Gewalten: der zur Abstimmung stehende Text organisiert weder eine echte Kontrolle der Gewalten, noch eine wirkliche Gewaltentrennung.

5.    Eine Verfassung wird nicht von den Mächtigen gewährt, sie wird vom Volk durch eine verfassunggebende, unabhängige Versammlung, die dafür gewählt und nachher abberufen wird, selbst errichtet, genau aus dem Grund, um sich vor der Willkür der Mächtigen zu schützen: der zur Abstimmung stehende Text heißt die europäischen Einrichtungen gut, die seit fünfzig Jahren von den Machthabern als Richter und Partei zugleich geschrieben worden sind.

 

 

Wichtige Überarbeitung  (21.April 2005)

 

 

Ich habe soeben erfahren, dass Politikern von Teilnehmern an ihren Meetings Zwischenrufe gemacht werden, wie: „Was antworten Sie Etienne Chouard, Professor für Recht in Marseille, der sagt (Zitat Chouard) …“

 

Ich habe soeben auch eine Pdf-Datei mit dem Titel „Fakultät für Recht Marseille“ erhalten, die unter diesem erfundenen Titel [meine Analyse] vom 25. März enthält, diese erste Fassung, die noch störende Fehler enthielt (insbesondere zur Türkei und zum Abkommen von Nizza).

 

Ich verstehe die wütenden Zuschriften einiger Universitätsprofessoren besser, die nach Betrug schreien.

 

Wenn die Dinge eine solche Wendung nehmen, dann haben sie Recht, dann wäre es besser, dass man mich lieber nicht liest, als wäre ich ein Fachmann für internationales Recht, als solchen darf man mich nicht hinstellen, das ist ein Mißverständnis: ich bin in keinster Weise ermächtigt,  das Gemeinschaftsrecht zu sprechen, und ich mache Fehler, wie jedermann in diesem Augenblick, denn der Text ist nicht einfach.

 

Gleich bei meiner Einführung halte ich fest, dass ich noch vor sechs Monaten „wie jedermann“ war, ich beschäftigte mich wenig mit Europa und kannte mich im Gemeinschaftsrecht wenig aus. Ich wiederhole überall, dass ich mich irren kann und dass ich gerade vorhabe, Fortschritte zu machen. Es stimmt, es ist paradoxal, und gefährlich für die Güte des Informationsgehalts aller, dass ich nach bloß zwei Wochen als „der maßgebliche Uniprofessor für Öffentliches Recht“ durchgehe.

 

Bei diesem Mißverständnis geht der Stil, in dem ich mich anfänglich ausgedrückt habe, auf mein Konto, aber dieses Schriftstück war nicht an die ganze Erde gerichtet. Die rasche Verkettung der Umstände hat auch seinerseits dieses Mißverständnis hervorgerufen.

 

Es ist wesentlich, die Echtheit meiner Mitteilung wieder herzustellen, die drauf und dran ist, und ohne dass ich groß was dafür kann, weit über das hinauszugehen, was ich mir am Anfang vorgestellt habe: um zu verstehen was ich meine, sehen Sie sich mal die Seite Avertissement (Hinweis) auf meiner Website an, die ich gestern morgen auf den neuesten Stand gebracht habe.

 

Die öffentlichen Zwischenrufe müßten also vielmehr folgendermaßen formuliert werden: „Was antworten Sie Etienne Chouard, Bürger in Marseille, der sagt (Zitat) …“

 

Ich spreche als Bürger. Ich habe in dieser Fassung meines Textes übrigens die Litanei „Gehört es nicht zu den Aufgaben der Lehrer …?“ (zu spät, das erkenne ich an, ich habe das Problem nicht gesehen) wieder herausgenommen.

 

Ich beharre darauf: im Augenblick gibt es eine große Debatte, die sich unter den Bürgern verstärkt, um diesen vielschichtigen Text, der vielleicht unsere Verfassung sein wird, besser zu entschlüsseln. Ich sehe jeden Tag in hunderten von Mitteilungen von Leuten, die heute die Bedeutung einer Verfassung in ihrem täglichen Leben entdecken und  sich in den Europäischen Verfassungsvertrag (EVV) vertiefen.

 

Ich finde es beachtlich, dass sich ganz gewöhnliche Bürger so stark in einen Text hineinknien, der ihnen das Recht der Rechte spricht.

 

Ich bedauere es, dass es nicht genug Zeit gibt, um uns besser untereinander auszutauschen.

 

 

 

Bitte vernichtet die früheren Fassungen meines Textes und laßt uns über den jetzigen Stand unserer jeweiligen Überlegungen diskutieren.

 

 

 

Gegenüber den früheren Fassungen lassen sich in diesem Text beträchtliche Veränderungen in meiner Auffassung von der Schwächung der parlamentarischen Gewalt erkennen, die sich letztlich auf ein paar genau umschriebene (und skandalöse) Bereiche beschränkt. Unser Meinungsaustausch bringt mich wirklich vorwärts. In den anderen Bereichen, glaube ich im Gegenteil die Gefahr eine übermäßige Stärke des Parlaments ausfindig gemacht zu haben …

 

Aber vor allem wird mir die fast allgemeine Unverantwortlichkeit in diesem „Europa-das-eine-Verfassung-braucht-um-stärker-zu-sein“. Ja natürlich brauchen wir eine Verfassung. Aber schützt sie tatsächlich die Völker, die sich eigentlich vereinen sollten, um sich gegenseitig zu stärken?

 

Wir stehen wirklich vor einem Problem des demokratischen Verhältnisses zwischen den Völkern und ihren Eliten.

 

Wie verzwickt die Beurteilung dieses Textes ist … Und wie schwierig es sein wird, über ihn abzustimmen

 

 

 

Voraussetzung: Verfassung oder Vertrag?

 

 

 

Welches ist die richtige Bezeichnung für diesen Entwurf?

 

 

Es muss daran erinnert werden, dass es eine Verfassung ist und warum ihre Ausarbeitung mit speziellen Sicherheitsvorkehrungen umgeben wird.

 

Eine Verfassung ist ein zwischen den Menschen und ihren Regierungsbeauftragten geschlossener Pakt. Und weil sie diesen Pakt unterzeichnet haben, willigen die Menschen darin ein, den Gesetzen zu gehorchen. Auf diesem Pakt beruht die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Gewalt. Dieser Pakt muss die Menschen gegen Unrecht und Willkür schützen. Die Grundsätze, von denen die Rede sein wird, sind dazu da sicherzustellen, dass der Pakt seine Schutzrolle spielt und das die Menschen ihn überprüfen können.

 

Der Vertragsentwurf, der eine Verfassung für Europa (VVE) errichtet, ist ohne zeitliche Begrenzung [2] vollstreckbar, er wird für das Leben der Menschen [3] in fast allen wesentlichen Bereichen verbindlich, seine Rechtskraft steht über allen unseren nationalen Richtlinien (Verordnungen, Gesetze, Verfassung)[4], er setzt große (ausführende, gesetzgebende, rechtsprechende) Gewalten ein und regelt ihr Gleichgewicht untereinander.

 

Um sich darüber klar zu werden, was auf dem Spiel steht, kann man Jean Foyer, emeritierter Professor der Universität Paris II, Mitglied des Institut [de France, Anm.d. Ü.], ehemaliger Justizminister: „ Würde der Verfassungsvertrag ratifiziert, besäße das Verfassungsrecht Frankreichs eine geringere Rechtskraft als das einer einfachen Richtlinie der Europäischen Union.”

 

 

Der Entwurf eines EVV ist also naturgemäß eine Verfassung, er legt das „Recht der Rechte“ fest.

 

Die laufende Debatte zeigt, dass diese Voraussetzung im Mittelpunkt der Widerlegungen steht. Ich untermauere meine Behauptung mit einem Zitat von Olivier Gohin, Professor an der Universität Paris II:Der neue Vertrag ist von dem Moment an eine echte Verfassung, von dem an er der materiellen Definition jeder Verfassung entspricht: Organisation der Staatsgewalten und Garantie der Grundfreiheiten, mit Festlegung einer verfassunggebenden Gewalt (…) die neue Europäische Union vereinigt bereits jetzt die zur Definition eines Staats erforderlichen Elemente ”. [5]

 

Am wichtigsten ist also nicht die Bezeichnung, die die Urheber selber dem Text gegeben haben, denn die Grundsätze, von denen die Rede sein wird, sind dazu da, die Bürger vor gefährlichen Einrichtungen zu schützen: jeder Grundlagentext, der die Vollmachten von Einrichtungen bestimmt oder ändert, müßte also diese Grundsätze einhalten, gleich welche seine offizielle Benennung wäre.

 

Verbürgt uns dieser zur Verfassung erkorene Text die Sicherheiten, die von ihm zu erwarten sind? [6]

 

Erster verfassungsrechtlicher Grundsatz: eine Verfassung ist ein lesbarer Text

 

Eine Verfassung muss direkt von dem Volk angenommen werden, das sich ihr unterwirft.

 

 

Damit diese Annahme einen Sinn hat, muss der Text für das Volk, das ihn unterzeichnet (und nicht nur für die Fachleute) lesbar sein.

 

Unter diesem Gesichtspunkt ist der „Verfassungsvertrag” lang und vielschichtig [7]: 485 A4-Seiten, d.h. fast ein ganzer Papierblock (in der zur Zeit auf der webseite http://www.constitution-europeenne.fr zur Verfügung stehenden kompaktierten Fassung).Zu er solchen für eine Verfassung in der ganzen Welt einzigartige Länge kommt eine Vielfalt von Verweisen, die sie für einen gewöhnlichen Bürger einfach unlesbar machen.

Eine so wesentliche Definition wie die der SIEG (services d’intérêt économique général, Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse) kommen im Text nicht vor.[8]

Es treten Widersprüche auch zwischen auseinanderliegenden Teilen auf.[9]

 

Um die Schwierigkeit einer Lektüre des Textes noch weiter zu veranschaulichen, muss man ferner, und das ist schlimm, auf das Fehlen einer Liste der Bereiche hinweisen, in denen jede Einrichtung Recht schaffen kann. So steht nirgendwo (und man kann von ihrem Bestehen also überhaupt nichts ahnen) die Liste der Bereiche, in denen das Europäische Parlament vom Recht, Gesetze zu erlassen, vollkommen ausgenommen wird (was ja weder banal noch harmlos ist). Um diese Aufteilung zu kennen, muss man gewisse Artikel einzeln durchkämmen und dabei hoffen, keinen davon vergessen zu haben (vgl. weiter unten). Kann da noch von Lesbarkeit gesprochen werden?

 

An andere Artikel, wie Artikel I-33, der die „nicht gesetzgebenden Akte“ (Verordnungen und Beschlüsse) einsetzt, durch die eine (nicht gewählte) Kommission ohne parlamentarische Prüfung so zwingende Richtlinien wie Gesetze [10] schaffen kann, schließt sich keine überprüfbare Liste an.

 

Diese Länge und diese Vielschichtigkeit verbietet einem gewöhnlichen Sterblichen jede Kritik.

 

Die  75 % spanischen Wähler, die diesem Text zugestimmt haben, wie die 60%, die sich der Stimme enthalten haben, haben ihn wahrscheinlich nicht gelesen: weder die Minister, noch die Parlamentsabgeordneten, noch die Lehrer, noch die Journalisten, noch die Bürger, die anderes zu tun haben: wer hat rein materiell die Zeit, 500 A4-Seiten zu lesen?  Man braucht sich die Frage bloß selber stellen: für die anderen fällt sie nicht anders aus.

 

Die Bürger gehen so für sich, aber auch für ihre Kinder und Kindeskinder das große Risiko ein, zu spät zu entdecken, was sie nicht mehr werden ändern können.

 

Man muss natürlich lesen und verstehen was man unterschreibt. Oder es dann ablehnen, zu unterzeichnen.

 

Auch wenn er einfach wäre (und er ist es nicht), versetzt ein Text mit einer solchen Länge nicht in die Lage, ihn kritisch zu beurteilen.

 

Und dennoch muss man sich ja eine Meinung bilden. Wie kann man also eine Meinung zu einem Text haben, den man nicht lesen kann? Indem man sich nach „den Anderen“ richtet, beruhigt man sich, wie die Schafe des Panurg [Gestalt aus dem Pantagruel von Rablais, Anm.d.Ü.].

 

Diese Länge ist schon für sich genommen undemokratisch: die Debatte ist den Fachleuten vorbehalten.

 

Eine Verfassung ist ein Grundgesetz, es ist das „Recht der Rechte“, es muss von allen gelesen werden können, um in Kenntnis der Sachlage angenommen oder abgelehnt zu werden.

 

 

  

Zweiter verfassungsrechtlicher Grundsatz: eine Verfassung schreibt nicht die eine oder andere Politik vor, sie ermöglicht eine politische Debatte ohne deren Ausgang vorzuschreiben.

 

 

Eine demokratische Verfassung steht weder rechts noch links, sie ist weder sozialistisch noch liberal, eine Verfassung ist nicht parteilich: Sie ermöglicht eine politische Debatte, sie steht über der politischen Debatte.

 

Umgekehrt möchte der VVE nicht nur die Spielregeln der Politik, sondern gleich auch die Politik selbst festlegen!

 

Indem er in allen seinen Teilen [11] (I, II und vor allem III) liberale Sachzwänge und Bezugspunkte festlegt, ist dieser Text politisch nicht neutral, er schreibt im Bereich der Wirtschaftspolitik langfristig verbindliche Entscheidungen vor, die natürlich von der täglichen politischen Debatte abhängen sollten, die ihrerseits mit der Konjunktur schwanken. Es ist eine Art hold-up über die wirtschaftspolitische Wechselfolge.

  

Insbesondere bestätigt der Text, dass sich Europa auf lange Sicht selber seiner drei hauptsächlichsten wirtschaftlichen Hebel entledigt, die einen Staat weltweit erst regierungsfähig machen:

 

keine Währungspolitik: wir sind die Einzigen auf der Welt, die unsere Zentralbank völlig unabhängig gemacht haben, und dazu noch mit einer einzigen verfassungsmäßigen und unangreifbaren Aufgabe, nämlich  der Bekämpfung der Inflation, und in keinster Weise mit der Beschäftigung oder dem Wachstum.[12]  Den politischen Gewalten ist ein Mittel gegeben, diese Aufgaben zu ändern. Jedoch weiß man, dass sich eine anti-inflationistische Politik durch eine fast mechanische Wirkung mit Arbeitslosigkeit bezahlt macht [13] (Anmerkung 13 genau lesen).

 

Keine Haushaltspolitik: der Stabilitätspakt [14] macht den Staaten strenge Vorgaben für den Haushalt, was sicher eine mögliche Politik ist, aber nicht die einzige ad vitam aeternam. Kein Aufschwung vom keynesianischen Typ (öffentliches Bauen) ist mehr möglich.

 

Keine Industriepolitik: das Verbot jeglicher Beeinträchtigung des Wettbewerbsgebots [15] bringt das Verbot mit sich, bestimmten, mit Schwierigkeiten kämpfenden oder Risiken ausgesetzten nationalen Akteuren zu helfen.

 

Es ist eine Politik der wirtschaftlichen Ohmacht, wie sie von dem Wirtschaftswissenschaftler Jean-Paul Fitoussi [16] beschrieben wird, die so institutionalisiert und auf lange Sicht verbindlich gemacht wird.

 

Zu diesem Thema muss man die spannende Synthese der zwölf Wirtschaftswissenschaftler gegen den VVE lesen. [17]

 

Dieser Entwurf eines VVE Text entmündigt die Bürger Europas: er nimmt jedem von uns das Interesse daran, über Alternativen nachzudenken. Lohnt es sich eigentlich, weiterhin politische Debatten zu führen, wenn im maßgeblichsten Text eine echte Alternative ausdrücklich verboten ist?

 

Abgesehen von der sowjetischen Verfassung (die ihrerseits ebenfalls eine Politik vorschrieb, den Kollektivismus) wäre diese parteiliche Verfassung in der Welt ein einmaliger Fall.

 

 

 

Dritter verfassungsrechtlicher Grundsatz: eine demokratische Verfassung ist änderbar

 

 

Alle in einer Demokratie lebende Völker dieser Welt können ihren Regierungspakt ändern.

 

Eine Änderung des VVE ist viel zu schwierig [18]: um an diesem Text auch nur ein Komma zu ändern, braucht es zuerst die Einstimmigkeit der Regierungen, um einem Änderungsvorhaben zuzustimmen, anschließend braucht es die Einstimmigkeit der Völker, um es zu ratifizieren (das ist das ordentliche Änderungsverfahren).

 

 

Mit 25 Staaten wird dieses Verfahren der doppelten Einstimmigkeit für die Befürworter des Immobilismus zu einer echten Sicherung der Unangreifbarkeit. Dieser Text scheint von seiner Entstehung an versteinert zu sein.

 

Konkret gesagt, sollte eine breite Mehrheit von Europäern ihr Grundgesetz ändern wollen, so könnten sie es nicht. Das ist skandalös und beunruhigend.

 

Das ist für eine Verfassung [19] unannehmbar und auch hier wäre dieser Fall weltweit einmalig.

 

In den Antworten auf mich wird auf das Wort „Vertrag” hingewiesen, um glauben zu machen, dass die Einstimmigkeit normal sei (was bei Verträgen den Tatsachen entspricht), aber das ist unhaltbar: dieser Text spielt ganz offenkundig die Rolle einer Verfassung und das Oxymoron „Verfassungsvertrag” (Zusammensetzung widersprüchlicher Worte) führt durch Wortspielereien zur Schaffung einer zu starren, allzu schwer änderbaren maßgeblichsten Richtlinie.

 

Paradoxalerweise wird diese übertriebene Starre von der erstaunlichen Beweglichkeit eines anderen Verfahrens begleitet, für das diesmal keine direkte Zustimmung des Volkes erforderlich ist: das vereinfachte Revisionsverfahren [20] ermächtigt eines der Organe der Union (den Ministerrat) dazu, aus eigener Initiative einen der Kernpunkte der Verfassung zu ändern, und zwar denjenigen, der den Grad der von den Mitgliedstaaten bewahrten Souveränität in dem einen oder anderen Bereich bedingt (da durch den Übergang zur Mehrheit das Sperrrecht für alle verloren geht) [21]. Und das ist schlimm.

 

Im Übrigen ist die Einstimmigkeitsregel bei der Aufnahme eines neuen Staates in die EU eine Schutzmaßnahme, aber nicht die Einstimmigkeit der durch Volksabstimmung befragten Völker ist hierzu erforderlich: zuerst ist die Einstimmigkeit der 25 Regierungsvertreter (von denen viele nicht gewählt sind, und von denen keiner mit dem Mandat gewählt worden ist, in diesem wichtigen Punkt eine Entscheidung zu treffen) nötig, anschließend die Einstimmigkeit der Staaten gemäß dem jeweils gültigen nationalen Ratifizierungsverfahren [22] . Nur in den Ländern, die ein Volksabstimmungsverfahren kennen, und dazu gehört Frankreich, wird das Volk direkt befragt.

 

Man könnte wirklich sagen, dass der Wille des Volkes für die, die es regieren, wenig zählt.

 

 

Vierter verfassungsrechtlicher Grundsatz: eine demokratische Verfassung sichert gegen Willkür ab, indem sie gleichzeitig die Trennung der Gewalten und die Kontrolle der Gewalten sicherstellt

 

Der von Montesquieu beschriebene Geist des Gesetzes ist zweifellos die beste Idee der ganzen Menschheitsgeschichte: alle Macht strebt ganz natürlich, ganz mechanisch, zum Machtmissbrauch. Um die Menschen vor Gewaltherrschaft zu schützen ist es also wesentlich, die Gewalten zu trennen, und dann eine Kontrolle der Gewalten zu organisieren: kein Ineinandergreifen der Gewalten, und keine Gewalt ohne Gegengewalt.

 

So sagt das Volk: „Du Parlament, du machst die Gesetze, aber du führst sie nicht aus. Und du Regierung, du führst die Gesetze aus, aber du kannst sie nicht selber schreiben.” So hat keine Gewalt allein die Mittel, ihren Willen durchzusetzen.

 

„Andererseits, wenn eine der Gewalten der Auffassung ist, dass die andere ein unannehmbares Verhalten zeigt, kann sie sie abberufen: die Versammlung kann die Regierung stürzen, und die Regierung kann die Versammlung auflösen. In beiden Fällen wird das Volk als Schiedsrichter (Wahlen) angerufen, das die einzige Quelle aller Macht bleiben muss.” Jede Gewalt muss Rechenschaft ablegen und sich in jedem Augenblick kontrolliert wissen.

 

Vielleicht ist das die beste Idee auf der Welt, die, die uns von der Furcht vor einem Despoten befreit.

 

Selbst im modernen Rahmen eines Staatenbundes wäre nicht einzusehen, warum diese schützenden Grundsätze gesunden Menschenverstands ihren Wert verloren hätten.

 

Das Gleichgewicht zwischen den drei Gewalten (der gesetzgebenden, ausführenden und rechtsprechenden) ist jedoch schwer herzustellen.

 

Die gesetzgebende Gewalt bezieht aus der allgemeinen direkten Wahl eine starke Berechtigung und die Versuchung liegt nahe, sie stärker als die anderen zu machen. Aber eine rechtmäßige Versammlung kann selbstverständlich tyrannisch werden, denn der Wahlmechanismus bildet auf keinen Fall einen Ersatz für die Gegengewalt. Im Übrigen ist eine Versammlung nicht unbedingt der beste Ort für einen Beschluss: die Massenwirkung oder eine gewisse Verwässerung de persönlichen Verantwortungskraft im Augenblick der kollektiven Beschlussfassung kann zu Auswüchsen führen. [23]

 

 

Daher werden der parlamentarischen Gewalt trotz der von ihr verkörperten Souveränität oft Schranken gesetzt: so sind oft zwei Kammern (Zweikammersystem) vorgesehen, damit die eine die andere mäßigt: in Frankreich spielt der Senat, der auch gewählt, aber älter ist, die mäßigende Rolle, jedoch ohne Sperrrisiko (bei Uneinigkeit hat die Nationalversammlung das letzte Wort).

 

 

Oft ist für die gesetzgebende Gewalt noch eine andere Schranke vorgesehen: die Versammlung muss auflösbar sein, immer mit diesem wesentlichen Blick auf die Gegengewalt, die die staatlichen Akteure verantwortlich macht.

 

Innerhalb dieser Schranken (zwei Kammern und Auflösungsdrohung) müsste das Parlament eine echte gesetzgebende Rolle spielen, mit Gesetzesinitiative, mit der Möglichkeit, Texte in allen Bereichen abzuändern, eine echte Rolle bei der Festsetzung der Besteuerungen (was eine seiner wesentlichen ursprünglichen Rollen ist: das Gewicht der von der Staatsgewalt vorgenommenen Entnahmen zu überprüfen) …

 

Im Entwurf des VVE ist nicht gerade das genau vorgesehen: das Parlament hat keine Gesetzesinitiative  [24] , was auf den ersten Blick unannehmbar erscheint, seine Rolle bei der Abstimmung über den Haushalt bleibt, obwohl sie gewichtiger ist, beschränkt, und vor allem ist es von gewissen Bereichen ausgeschlossen, die dem Ministerrat [25] vorbehaltenen sind.

 

Uns wird also ein „Dreieck” vorgestellt, das aus dem die Völker vertretenden Parlament, aus einem die Staaten vertretenden Ministerrat und einer das allgemeine Interesse vertretenden (sic) Kommission besteht.

 

Die Kommission ist hauptsächlich ein Abkömmling des Ministerrats, der ihre Mitglieder mit einem Einsichtsrecht des Parlaments ernennt, das sogar ihren Präsidenten wählt (auf Vorschlag des Ministerrats). Die Kommission ist vollständig unabhängig, sie darf von niemandem Weisungen erhalten, aber sie kann dennoch vom Parlament durch einen Mißtrauensantrag abgesetzt werden und jeder Kommissär kann vom Präsidenten der Kommission zum „Rücktritt” gezwungen werden.

 

Die Kommission ist mit der technischen Vorbereitung des Rechts beauftragt und unterbreitet ihre Vorschläge dem Ministerrat und dem Parlament, die als zwei gesetzgebende Organe vorgestellt werden.

 

Der Ministerrat wird also wie eine „obere Kammer” vorgestellt, die die Rolle des Senats spielen würde, aber das ist schwer zu glauben: zunächst einmal sind die Minister nicht gewählt, und zweitens halten sie in ihrem Land die ausführende Gewalt in Händen, d.h., sie bestimmen über die staatliche Ordnungsgewalt, die ihnen erlaubt, bei der Rückkehr ins eigene Land genau die Regeln anzuwenden, die sie selbst ausgearbeitet haben.

 

Es sind also dieselben Personen, die auf europäischer Ebene das Recht schaffen und die es auf nationaler Ebene anwenden: hier liegt der Fall eines Ineinandergreifens der Gewalten vor.

Der Ministerrat ist ein Organ, das klarerweise an die ausführende Gewalt gebunden ist und der man eine gesetzgebende Rolle anvertraut.

 

Mit dieser Nicht-Trennung der Gewalten geht uns ein wichtiger Schutzwall gegen die Willkür verloren. Auch wenn nur bei einer beschränkten Anzahl von Bereichen (21? wer weiß?), ist das gefährlich.

 

Im oben genannten Artikel [26] weist Laurent Lemasson darauf hin, dass das Parlament aus einer einzigen Kammer besteht, und dass das Parlament unverantwortlich ist: niemand kann es auflösen. Wie wir gesehen haben, hat es keine Gesetzesinitiative, aber es kann die Kommission auflösen, die diese Initiative hat, was dem Parlament einen starken Einfluß auf sie gibt, um Vorschläge „anzuregen”. L. Lemasson sieht in dieser Organisation der Gewalten die Gefahr eines Versammlungssystems (eine Art parlamentarischer Gewaltherrschaft). Ich muss sagen, dass ein solcher Gedanke für mich vollkommen neu und die Analyse interessant ist: das Parlament wäre gleichzeitig an bestimmten Stellen (es darf gefragt weden, warum gerade da …) völlig ohnmächtig und an anderen vielleicht zu stark. Dem ist nachzugehen …

 

Mit diesem neuen Ansatz stehe ich heute der gemeinsamen Beschlussfassung als einer Gegengewalt in beiden Richtungen positiver gegenüber: so kann das Parlament seine Macht nicht mißbrauchen und der Ministerrat auch nicht.

 

Außer wenn das Parlament in einer Reihe von Bereichen, bei denen der Ministerrat allein Gesetze erläßt, gar nicht erst ins Spiel kommt (und zufälligerweise sind das wichtige wirtschaftliche Bereiche), (Art. III-130-3: Binnenmarkt und Art.III-163 und III-165: Wettbewerbsregeln). Also das ist skandalös, weil es in diesen Bereichen fast keine Gegengewalt mehr gibt: kann die Kommission als eine echte Gewalt betrachtet werden, die fähig wäre, sich bei einem willkürlichen Abdriften des Ministerrats (der sie ernannt hat) einzuschalten?

In diesem Abschnitt der dem Ministerrat vorbehaltenen Bereiche scheint es also ein echtes demokratisches Problem zu geben: weder Gewaltentrennung noch –kontrolle. Eine Liste dieser verbotenen Bereiche gibt es nirgends, und dieser Ausschluss des Parlaments aus gewissen Bereichen wird an keiner Stelle einmal klar formuliert.

 

Dort wo es keine Kontrolle der Gewalten gibt, wird uns ein weiterer Schutzwall gegen die Willkür abhanden kommen.

 

Für einen Bürger, der hier Neuland betritt, ohne vorher psychologisch abgerichtet worden zu sein, ist das skandalös. Aber vielleicht täusche ich mich. Kann man mir dieses seltsame „Gleichgewicht” der Gewalten erklären? Für wen ist dieser Text geschrieben worden?

 

Als Bürger wäre es uns lieb, wenn uns erklärt würde, warum es diesen Ausschluss gibt, auf Grund welcher Kriterien diese verbotenen Bereiche ausgesucht worden sind und warum keine ausdrückliche (und daher kritisierbare) Liste aufgesetzt worden ist.

 

Auch wäre es gut zu wissen, wer in dieser europäischen Organisation für seine Taten eigentlich wirklich verantwortlich ist, denn schließlich:

 

Ist das Parlament niemandem Rechenschaft schuldig (außerhalb der Wahlen, von denen schon gesagt wurde, dass sie nicht als Ersatz für eine Gegengewalt herhalten können), da es kein Auflösungsverfahren gibt.

 

Ist der Europarat auf europäischer Ebene niemandem Rechenschaft schuldig (und man muss sich auf die ferne nationale Verantwortlichkeit beziehen, um jedes seine Mitglieder zur Rechenschaft ziehen zu können). Der Umstand, dass diese Verantwortlichkeit natürlich deswegen schwer zu bewerkstelligen ist, weil es sich um Staatschefs handelt, ist keine ausreichende Sicherheit, da das Ergebnis auf Bundesebene dennoch eine Unverantwortlichkeit ist.

 

Ist der Ministerrat auf europäischer Ebene niemandem Rechenschaft schuldig (und auch hier muss man sich auf die nationale Verantwortlichkeit beziehen, um jedes seiner Mitglieder zur Rechenschaft ziehen zu können). Der Umstand, dass auch hier diese Verantwortlichkeit natürlich deswegen schwer zu bewerkstelligen ist, weil es sich um Minister handelt, die Träger einer anderen Volkssouveränität als der europäischen sind, ist keine ausreichende Sicherheit, da es im Ergebnis dennoch eine Unverantwortlichkeit genau dort gibt, wo die Beschlüsse gefasst werden. Ganz zu schweigen davon, dass die Bewerkstelligung dieser Verantwortlichkeit ebenso verzwickt wie illusorisch erscheint.

 

Der nicht gewählte Europäische Gerichtshof (EGH) befindet sich ebenfalls außer Kontrolle und ist (meines Wissens) ohne Beschwerdemöglichkeit, trotz seiner ungeheueren Vollmachten, mit denen er durch die Auslegung aller Texte und der Schiedsgerichtsbarkeit in allen Streitsachen ausgestattet ist. Schwerwiegende Gefahr? (noch zu genauer anzusehen)

 

Die nicht gewählte und von der Staatsgewalt  strikt unabhängige Europäische Zentralbank (EZB) befindet sich ebenfalls außer Kontrolle, ist also unverantwortlich, trotz des beträchtlichen Einflusses ihrer Beschlüsse auf das tägliche Leben von 450 Millionen Europäern (vgl. weiter oben).

 

Dieser Eindruck einer allgemeinen Unverantwortlichkeit ist doch bestürzend, oder?

 

Schließlich riskiert bloß die Kommission als Einzige etwas[27]: einen globalen Mißtrauensantrag  durch das Parlament einerseits, aber nur zu 2/3, was viel ist und den Mißtrauensantrag theoretisch machen kann, und andererseits den einzelnen Rücktritt eines Kommissärs, der vom Kommissionspräsidenten gefordert werden kann.

 

Aber ist die Kommission wirklich der Sitz der Macht? Darüber gehen die Meinungen auseinander, aber in Anbetracht des Gesamtüberblicks würde ich dazu neigen, der Auffassung von Yves Salesse [28] beizupflichten, dass die eigentliche Macht vom (unverantwortlichen) Ministerrat gehalten wird und dass die Kommission ihm als Schirm dient, als eine Art „politischer Feuerlöscher”, als ein bequemer Sündenbock, mit dem die Minister Recht schaffen können und gleichzeitig sagen können „nicht ich, sondern sie ist es, und ich kann nichts dafür, ich kann sie nicht zwingen: sie ist unabhängig …”.

 

Die Kommission ist jedoch ein wichtiger Ort von Macht. Beispiel: der mit dem internationalen Handel beauftragte Kommissär ist durch das ihm ein für alle Mal übertragene Mandat der einzige Vertreter der Union bei allen internationalen Verhandlungen (WHO und anderen). Dieser Mann vereinigt also in einer Hand eine schwindelerregende Machtfülle. In dieser Rolle verhandelt er das GATS (Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, ein gigantisches Deregulierungsvorhaben [29], die Weltfassung der Bolkestein-Direktive), im Namen aller Europäer, aber bei größter Geheimhaltung: er legt dem Parlament über die von ihm über ein Abkommen geführten Verhandlungen, das das Leben aller Europäer tiefgreifend verändern wird, keine Rechenschaft ab und das Parlament kann ihn nicht dazu zwingen, darüber Rechenschaft abzulegen [30].

 

Spürbare Zeichen für ein Abdriften in Richtung Gewaltherrschaft sind also bereits beobachtbar. Und der „Verfassungsvertrag“ verriegelt langfristig das institutionnelle Ungleichgewicht, das dieses zuläßt.

 

Der Kommission kann vom Parlament das Mißtrauen erklärt werden, aber nur mit Zweidrittelmehrheit, was bedeutet, dass die Kommission 450 Millionen Personen mit der Einwilligung von nur einem Drittel des Parlaments regieren kann.

 

Auch das Abstimmungsverfahren (per Liste) garantiert den Parteiführern risikolos einen Platz im Parlament, was die Belangbarkeit dieser Abgeordneten im Augenblick von Wahlen noch theoretischer macht.

 

All diese Gewalten ohne eine wirkliche Kontrolle, diese allgemeine Unverantwortlichkeit … Wo ist da die Demokratie? Wo sind die Sicherheitsvorkehrungen gegen die Willkür?

 

Anscheinend wird das in den Schulbüchern der Studenten der Politikwissenschaft seit zwanzig Jahren schamhaft mit dem „Mangel an Demokratie“ der EU umschrieben. Ein ziemlich harmloser Ausdruck, um damit ein regelrechtes Sichselbstüberlassen der Völker zu bezeichnen, die ein zu großes Vertrauen in die setzen, die sie ernannt haben, um sie zu verteidigen.

Mir scheint, dass die gewöhnlichen Bürger in all ihren Gesprächen diesen historischen Rückgang analysieren sollten: unter den europäischen Einrichtungen scheinen die Organe der Union fast alle unverantwortlich, der Wille der Völker scheint für die Regierenden wenig in die Waagschale zu fallen, und es wird eine bestimmte Wirtschaftspolitik vorgeschrieben.

 

Wie können die Analytiker und Kommentatoren das abtun, als wäre es eine Nebensache? Wegen eines Europas um jeden Preis? Irgendein Europa? Auch ein Nicht-demokratisches?! Darf man darüber nicht sprechen, ohne als Europagegner qualifiziert zu werden?

 

Das Argument, wonach „es überall gleich ist”, beruhigt mich nicht, sondern beunruhigt mich noch mehr: während die meisten der Bürger, hypnotisiert von Werbung, Fußball und Fernsehen die Demokratie vernachlässigen, kümmern sich andere aktiv und in aller Stille darum, und man sieht wie.

 

 

Man sagt uns: „dieser Text ist besser als vorher, es wäre dumm, einen Fortschritt abzulehnen.”  Das heißt aber verschleiern, dass mit diesem Text nicht nur Fortschritte gemacht werden: es würde stehen geblieben, blockiert, gut geheißen, verstärkt, es würde diesen Texten, die sich bisher nicht darum geschert haben,  zum ersten Mal  eine breite Zustimmung der Bevölkerung zuteil, und man sieht, mit welchem Ergebnis.

 

Auch wenn besser als vorher, der vorgeschlagene Text ist gefährlich. Montesquieu dürfte sich im Grab umdrehen.

 

Ein trauriges Paradox, wenn diese Völker selber den Rückgang an Demokratie hinnehmen würden, d.h. den der einzelnen Schutzwälle, die sie vor dem ungerechten Gesetz des Stärkeren schützt.

 

Uns wird Glauben gemacht, dass all diese Mängel ihren gerechten Ausgleich in den spektakulären Durchbrüchen finden würden:

Diejenigen, die mit Pauken und Trompeten beispielsweise die Entstehung einer Volksabstimmung auf Initiative von einer Million Bürger [31] verkünden, haben nicht richtig gelesen: der Vertrag bestimmt nur ein elendes Petitionsrecht ohne jede zwingende Kraft für die Kommission, die nur zum Nachdenken aufgefordert wird, und die den Vorschlag ohne weiteres in den Papierkorb werfen kann, ohne sich rechtfertigen zu müssen.[32]

 

Auf dieselbe Weise haben die überall mit Pauken und Trompeten über alle Sender, über das Fernsehen, die Zeitungen und die offiziellen Werbespots verkündeten großmütigen und großzügigen allgemeinen Grundsätze ausdrücklich keine zwingende Kraft und sind reine Illusion: Art.II-111-2: „Die Charta dehnt den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union hinaus aus und begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben für die Union, noch ändert sie die in den anderen Teilen der Verfassung festgelegten Zuständigkeiten und Aufgaben. “

 

Es gibt nichts Klareres als diesen Artikel 111-2: durch Artikel 111-2 ist Teil II sterilisiert, seines Sinnes entleert, diese Charta ist weitgehend eine Illusion, ein Narrenspiegel.

 

Überall steht dieser Text als Augenwischerei da und verschleiert eine tödliche Krankheit der Demokratie: schrittweise und unbemerkt, indem sie schamlos das Gegenteil behaupten, sind die innerstaatlichen ausführenden Gewalten, rechts wie links, aus Anlass der Schaffung Europas im Begriff, sich in fünfzig Jahren der parlamentarischen Kontrolle gerade da zu entledigen, wo sie am nötigsten wäre (auf wirtschaftlicher Ebene), und ganz allgemein, jeder wirklichen Verantwortung bei den meisten ihrer politischen Entscheidungen.

 

 

Fünfter verfassungsrechtlicher Grundsatz: eine demokratische Verfassung wird zwangsläufig von einer Versammlung errichtet, die unabhängig von den herrschenden Gewalten ist

 

Eine Verfassung wird dem Volk nicht von den Machthabern verliehen. Sie wird vom Volk selber bestimmt, oder von den genau für diese Aufgabe gewählten Vertretern, eben deswegen, um sie vor der Willkür der Mächtigen zu schützen.

 

Umgekehrt sind die europäischen Einrichtungen (seit fünfzig Jahren) von den Politikern an der Macht fortgeschrieben worden, die also klarerweise Richter und Partei in einem sind: rechts- oder linksstehend, indem sie selber die Sachzwänge festlegen, die sie dann jeden Tag stören, sind diese Verantwortlichen, was menschlich, aber auch, was voraussehbar ist, zu einer gefährlichen Parteilichkeit geführt worden.

 

Für eine Demokratie ist auch dies ein  beispielloser Fall.

 

Und man kann das Ergebnis wie eine Karikatur dessen lesen, was es zu vermeiden gilt: eine in ausgewählten wirtschaftlichen Bereichen vollkommen handlungsfreie ausführende Gewalt mit Organe der Union, die fast alle auf ihrer Entscheidungsebene ohne Verantwortung sind, ein Schein von Demokratie mit Augenwischereien überall, kleine aber brüstend vorgezeigte Fortschritte, und dabei ein tatsächlicher Rückgang der Sicherheiten vor der Willkür.

 

Der einzige glaubhaufte Weg, um einen ausgewogenen und schützenden Urtext zu schaffen, ist eine verfassunggebende Versammlung, die unabhängig von den herrschenden Gewalten, einzig und allein nur zum Zweck der Ausarbeitung einer Verfassung gewählt und die danach wieder abberufen wird, sowie ein in aller Öffentlichkeit und sehr strittig [in Form von Streitgesprächen, Anm.d.Ü.] geführtes  Verfahren (im Recht bedeutet das Wort „strittig”, dass gegensätzliche Standpunkte ganz frei geäußert werden dürfen).

Es liegt an den Bürgern, dieses Verfahren durchzusetzen, sollten die politisch Verantwortlichen versuchen, sich dessen zu entledigen.

 

Die sehr unterschiedliche Zusammensetzung des Giscard-Konvents mit einer Fülle wertvoller Persönlichkeiten ist kein befriedigendes Argument: wir sind meilenweit von einer Verfassunggebenden Versammlung entfernt: seine Mitglieder sind nicht mit diesem Mandat gewählt worden,  seine Mitglieder waren nicht alle unabhängig von der herrschenden Gewalt, und vor allem hatten seine Mitglieder nicht die Vollmacht, einen neuen, ausgewogenen und demokratischen Text zu schreiben: sie konnten nur die früher von Akteuren, geschriebenen Texte absegnen, kompilieren (und leicht abgeändern), die zugleich Richter und Partei waren.  [33]

 

Außerdem ist die Neuschreibung des Textes durch die Regierenden an der Macht wärend eines Jahres, nachdem der Konvent seinen Vorschlag abgegeben hatte, vom verfassungsrechtlichen Standpunkt aus eine weitere Ungeheuerlichkeit. [34] Es steht der herrschenden Gewalt nicht zu, das Recht der Rechte zu schreiben.

 

Indem eine Verfassung auf dem Vertragsweg, einem viel weniger zwingenden Verfahren als eine langwierige verfassunggebende Versammlung (öffentlich, lang, strittig, und direkt vom Volk abgesegnet)  errichtet wird, haben die Parlamentarier und Regierenden so getan, als ob sie Eigentümer der Volkssouveränität wären, und dieser Vertrag, wie die vorhergehenden, kann als ein Machtmißbrauch analysiert werden: unsere Abgeordneten, haben, obwohl sie Abgeordnete sind, nicht das Mandat erhalten, unsere Souveränität abzudanken. Es liegt in der Hand des Volkes direkt zu überprüfen, dass die Bedingungen dieses Transfers annehmbar sind (meiner Meinung nach wünschenswert, um ein starkes und befriedetes Europa aufzubauen).

 

 

 

Natürlich achte ich zutiefst alle Mitglieder des Konvents, aber ich glaube einfach, dass sie nicht das Mandat dazu hatten, zu tun, was sie getan haben.

 

Es läßt im Übrigen sprachlos, zahlreiche politische Akteure der vordersten Reihe im Brustton der Überzeugung das Bedauern darüber äußern zu hören, dass der VVE der Volksabstimmung unterzogen werde, und dabei zu betonen, dass mit dem Parlament, das wie mit einer Stimme abgestimmt hätte, vielleicht ohne etwas zu lesen, alles wesentlich weniger verzwickt und weniger ungewiss gewesen wäre … Was gelten die Völker für unsere Eliten? Übrigens begehen die zahlreichen Regierungen, die diesen Text durch ihr nationales Parlament [35] haben ratifizieren lassen, einen eigentlichen Treuebruch: die Völker dieser Länder werden dadurch sowohl um die Debatte wie um die direkte Meinungsäußerung gebracht, die ihnen ermöglicht hätte, dem Rückgang an Demokratie, der sie der Willkür aussetzt, Einhalt zu gebieten.

 

Welche Mittel bleiben diesen Bürgern übrig, um der Beschlagnahme ihrer Souveränität Einhalt zu gebieten? [36]

 

Dieser Mißachtung der Völker und ihrer tatsächlichen Wahl enthüllt eine Gefahr, die sich in aller Stille immer mehr vergrößert: unsere Eliten, rechts wie links, mißtrauen der Demokratie und bringen uns absichtlich, schrittweise und hinterhältig um sie.

 

 

Schlussbemerkung

 

 

Der VVE erscheint also in mehr als einer Hinsicht als gefährlich.   Was erhalte ich im Augenblick zur Antwort? (vielleicht vergessene Argumente bitte ich zu entschuldigen, aber es ist eine ungeheure Arbeit, das alles zu kompilieren).

 

Um meine Befürchtungen zu beschwichtigen, wird der Fortschritt ins Feld geführt, aber in Wahrheit liegt alles am Bezugspunkt, der für die Beurteilung von Fortschritt genommen wird: denn geht man von der Situation  von Nizza aus (die ich auf demokratischer Ebene für bedauerlich halte), ist er tatsächlich „besser”, ist er ein „Fortschritt”, und man versteht also, warum man sich auf diesen Text bezieht, um uns den VVE zu verkaufen.

 

Aber wenn ich mich auf die nationale Demokratie beziehe, die ich zu Gunsten der „europäischen Demokratie” aufgebe, gewinne ich dabei objektiv einen Rückgang, den zu billigen ich aufgefordert werde: den bezüglich der Verantwortlichkeit aller Gewalten für ihr tägliches Tun und Lassen, den bezüglich der Kontrolle der ausführenden Gewalt in den ihr vorbehaltenen (x) Bereichen und vor allem, den in der vorgeschriebenen Wirtschaftspolitik, die sehr wahrscheinlich der Grund für die grassierende Arbeitslosigkeit und das geringe Wachstum in  Europa ist, und die klarerweise für lange Zeit durchgesetzt wird.

 

Dabei möchte ich darauf aufmerksam machen, dass ich zum ersten Mal seit fünfzig Jahren um meine Meinung gebeten werde: als Bürger bin ich weder ein Mitunterzeichner von Nizza noch der vorhergehenden Abkommen. Wenn ich mich mein Gedächtnis nicht im Stich läßt, wurde ich bei Maastricht zur Währung und den wirtschaftlichen Sachzwängen befragt, und nicht zum Gleichgewicht und der Kontrolle der Gewalten. Ist da eine Bilanz gezogen worden? Gibt es gute Gründe, mit den wirtschaftlichen Leistungen dieser Einrichtungen zufrieden zu sein, die doch eine mehr wirtschaftliche als politische Berufung hatten? Bei Fitoussi und Généreux nachlesen.

 

Warum sollte ich nur etwas zu dem kleinen Unterschied, der Nizza vom VVE trennt, zu sagen haben?

 

Warum sollte ich („ich”, gewöhnlicher Bürger natürlich) nicht ein Wörtchen zur Gesamtheit dieses fantastischen Kraftakts der nationalen ausführenden Gewalt mitreden dürfen, zur Kontrolle durch die Bürger der seit fünfzig Jahren geführten Politik?

 

Ich sehe nicht ein, warum der zur Abstimmung gebrachte Text künstlich auf die etwa 50 neue Artikel des VVE beschränkt sein soll.

 

Wenn ich herausragende Fachleute vorgeben höre, dass es nur darum geht, 60 Seiten zu beurteilen, 50 ganz kleine Artikelchen, vorgeben höre, dass es den Rest bereits gibt und sich also außerhalb des Themas befindet, der Volksabstimmung nicht unterworfen ist, wenn ich das höre, sage ich mir, und ich habe den Eindruck, dass ich da nicht allein dastehe, dass es an der Zeit ist, aufzuwachen.

 

Wenn man diese Gesamtsicht, von der ich spreche, ablehnt, wenn diese fünfzigjährige Periode als heilig, unantastbar und unumkehrbar ausgegeben wird, wenn Nizza als Bezugspunkt vorgeschrieben wird, dann ist der VVE tatsächlich ein „guter Text”, da „wir weiterkommen”, aber fehlt Ihnen denn da nicht ein kleiner Teil bei dieser Demonstration? Dass uns so vorgeschrieben wird, einen Weg abzusegnen, der nicht der richtige ist?

 

 

Sicherlich ist es (für die, die dieses wenig demokratische Europa aufbauen) ein Fehler, den Text als Verfassung zu bezeichnen (das hat uns aufhorchen lassen), und ein weiterer Fehler, diesen arroganten Meckerern die wir Franzosen sind, für den Text den Weg der Volksabstimmung  vorzuschlagen, aber für uns Bürger habe ich den Eindruck, dass uns diese beiden Fehler eine historische Chance geben, die, die Gefahr klarer zu sehen und ihr dann auch die Stirn zu bieten.

 

 

Es gibt jedoch in diesem Vertrag einen unwiderlegbaren Fortschritt … Es handelt sich um die sich neuerdings gebotene Möglichkeit, der Falle zu entkommen: Artikel 1-60-1: Der willentliche Rückzug der Union. Jeder Staat kann gemäß seinen Verfassungsregeln beschließen, sich aus der Union zurückzuziehen.” Dieses Recht gibt es derzeit nicht, was aus der Ablehnung des Textes den Einschluss in eine andere Falle, die von Nizza macht. Schöne Aussichten …

 

 

Dieser „Verfassungsvertrag” ist also ein aufschlußreiches Zeichen, das ans Licht bringt, was seit langem ohne uns entschieden wird.

 

In gewisser Weise hat der Wolf den Schafspelz fallen gelassen und die Bürger können die Gefahr endlich erkennen und ihr Stirn bieten.

 

 

Einer der Hauptfehler ist wahrscheinlich der, der Wirtschaft den Vorrang vor der Politik zu geben, auf die Möglichkeit zu handeln verzichten heißt, sich blind den Märkten zu überlassen, heißt, den Wirtschaftlern das Ruder an die Hand zu geben, obwohl sie im Maschinenraum bleiben sollten, um den Motor in Gang zu halten (diese Vorstellung stammt aus Bernard Maris’ köstlichem antimanuel d’économie (Gegenhandbuch der Wirtschaft), die er dort lächelnd vorträgt)

 

Indem die Freiheit anstelle der Einträchtigkeit als höherer Wert gepriesen wird, indem der Wettbewerb, die Konkurrenz an Stelle der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Hilfe institutionalisiert werden, indem er in dem maßgeblichsten Text durch das Dogma der absoluten Konkurrenz verbindlich gemacht wird, und zuletzt durch eine Moral des „jeder für sich und gegen alle” , indem die Regulierung durch den Staat als Wächter des Allgemeininteresses zerstört wird, um die Regulierung durch die Märkte als Summe der Einzelinteressen einzusetzen, greifen die liberalen Wirtschaftler die Grundlagen der Demokratie an, um auf einen Nenner gebracht, die hauptsächlichsten Entscheidungsträger in der Wirtschaft von jeder Kontrolle zu los zu machen.

 

Die in Europa durchgeführte systematische Deregulierung (Institutionen, Politik und Riegel der Verfassung) und ganz allgemein auf der ganzen Erde [WHO, GATS, ADPIC (Aspekte geistiger Eigentumsrechte am Handel)] ist ein zivilisatorischer Rückschritt, eine Rückkehr zum barbarischen Gesetz des Stärkeren. [37]

 

Aus Optimismus, aus Leichtgläubigkeit, aus Gleichgültigkeit lassen sich die modernen Völker ihr kostbarstes Gut schwächen, das sehr selten auf dieser Erde ist, das, das ihre tägliche Ausgeglichenheit bedingt: die einzelnen Schutzvorrichtungen gegen die Willkür starker Menschen, angefangen im Schoß der Unternehmen (Sozialrechte) bis zum Vaterland (kontrollierte und abberufbare demokratische Einrichtungen).

 

Die Demokratie ist nicht ewig, sie ist sogar außerordentlich anfällig. Wenn wir meinen, sie sei unverwundbar, sind wir bereits dabei, sie verloren gehen zu lassen.

 

Auch nach der Ablehnung des zur Abstimmung stehenden Textes muss weiter gekämpft werden, um sie beizubehalten, und weiter aktiv arbeiten, um unseren Vertretern vorzuschreiben, ein anderes, einfach demokratisches Europa aufzubauen. Ich habe kein fertiges Rezept, vielleicht haben andere eines.

 

Sonst muss man seine Vorstellungskraft spielen lassen und eine Alternative aufbauen.

 

Aber dieser Augenwischer-Grundtext wird den Bürgern in Form einer Debatte vorgestellt, die selber eine Augenwischerei ist [38].

 

Indem zahlreiche Journalisten Gegner des Verfassungsvertragstextes mit Europagegnern gleichsetzen, machen sie ein unehrliches Amalgam: die doppelte Gleichung „Ja zum Verfassungsvertrag = Ja zu Europa, Nein zum Verfassungsvertrag = Nein zu Europa" ist eine unverschämte Lüge, eine Verkehrung der Wirklichkeit, ein nie bewiesender betrügerischer Slogan, dazu da, die zu verführen, die den Vertrag nicht gelesen haben, die die obwohl sehr triftigen Argumente derer nicht geprüft haben, die sich dem Vertrag genau deswegen widersetzen, um die Perspektive eines demokratischen Europa zu schützen.

 

Die Journalisten sind ein wesentlicher, moderner Schutzwall, um die Demokratie zu schützen. Montesquieu konnte die kapitale Bedeutung, die sie annehmen würden, nicht voraussehen, aber eines ist sicher: die ungeheure Macht der Journalisten würde eine echte Gegengewalt verdienen (von diesem Standpunkt aus kann man sich sicherlich fragen, ob man nicht einen schweren Fehler begeht, wenn man zuläßt, dass die Medien wie einfache Waren ge- und verkauft werden) und ihre Verantwortung ist hier historisch.

 

Im Augenblick ist das Internet das demokratischste Medium, es ist unzensiert, das beste Mittel, um Widerstand zu leisten. Sollte Ihnen diese Botschaft zweckmäßig erscheinen, verbreiten Sie sie rasch in Ihren Netzwerken und über das Internet hinaus, auf Papier.

 

 

Ein Rat für die Befürworter des VVE (ich kann ihnen nicht helfen, ich habe die Argumente, die ihnen fehlen, nicht selber gefunden ;o): um die zu beruhigen, die in dem VVE eine große Gefahr sehen, ist es eine schlechte Antwort, das hervorzuheben, was an dem VVE gut ist: natürlich reicht das nicht aus, um zu beruhigen. Man unterzeichnet nicht einen Text, auch wenn er nur eine einzige unannehmbare Zeile enthält, auch wenn er den Himmel auf Erden verspräche. Und dieser Vertrag enthält zahlreiche unanehmbare Punkte.

 

Vielmehr müßte gezeigt werden, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gibt, zum Beispiel dass jedes Organ der Union für sein Tun und Lassen in allen Phasen der Rechtsetzung voll verantwortlich ist (über den einfachen Wahlmechanismus hinaus), dass die Wirtschaftspolitik nicht in einem derartigen Käfig befindet, wie es den Anschein hat, das Beachtung der künftigen Willensäußerungen der europäischen Völker jegliche Sicherheit besitzt …

 

Was die Vertragsgegner anbelangt, werden sie diejenigen, die im Augenblick aus Mangel an besseren Möglichkeiten die Nase zuhalten (es gibt ja so viele …) und mit Ja stimmen, nur dann überzeugen, wenn sie ein glaubhafte Alternative vorschlagen, eine plausible Perspektive.

 

Wissen Sie, hier bin ich auf die eigentliche Schwachstelle in meinem Gedankengang gestoßen, die, die ich von Anfang an gesucht habe: ich weiß nicht so richtig, wie diesem Schiff ein anderer Kurs gegeben werden kann, und ich weiß auch nicht, wie wieder bei Null anfangen, da bräuchte es mehr als einen.

 

Und wenn es die Völker Europas wären, die von ihren politischen Parteien diese demokratische Neugründung fordern würden, von der Basis ausgehend, durch Kommunikation über das Web, um sich das richtige Wort durchzugeben, ohne zwangsläufig die Spaltungen in Parteien zu beachten? Es darf geträumt werden …

 

Es ist doch das, worüber nachgedacht werden muss, oder?

 

Vor ein paar Wochen habe ich habe am Radio einen Satz gehört, der die Runde gemacht hat, und seither unaufhörlich in meinem Kopf nachklingt und mich verändert. Er besagt: man kommt nicht als Bürger auf die Welt: man wird es.

 

Étienne Chouard, Trets (Marseille)

Stand 24. April 2005

 

 

Sie können mir schreiben an etienne.chouard@free.fr, aber ich habe keine Zeit mehr, um Ihnen zu antworten, wie es sich gehört, oder dann nur von Zeit zu Zeit. Entschuldigung, Sie sind zu zahlreich.
écrivez-moi en français ou en anglais car je ne parle pas l’allemand ;o)

 

Sie können Nachträge lesen und dieses Dokument herunterladen bei http://etienne.chouard.free.fr/Europe und es beliebig verbreiten, aber es wäre nett, mir ein Link auf meine Website zu schicken, denn eine Datei macht meinen Text unveränderlich, währenddessen ich ihn dank Ihrer wachsamen, gutwilligen und geduldigen Bemerkungen ständig verbessere.

 

Ich wiederhole hier, dass ich absolut keine Berechtigung besitze, das Gemeinschaftsrecht zu erklären, das ich in diesem Augenblick Schritt um Schritt (und von einer Überraschung zur nächsten) entdecke.

 

 

 

Post scriptum (3 & 12. April 2005)

 

Dieser Text hat einen unerwarteten Erfolg und hat bereits tausende von Reaktionen hervorgerufen. Ich erhalte täglich hunderte von Zuschriften, fast immer begeisterte, manchmal kritische, was mir gestattet, weiter zu kommen. Gewisse Fragen, auch Zweifel, kehren in diesen Zuschriften regelmäßig wieder und ich möchte hier mit einem Wort darauf antworten, um die nächsten vorwegzunehmen.

 

Ich bin Lehrer für Recht, Wirtschaft und Informatik für den technischen und wissenschaftlichen Oberstufenabschluss an einem Marseiller Gymnasium, ich bin 48 Jahre alt, habe vier Kinder, bin nicht Mitglied irgendeiner Partei, einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung. In meinem Leben habe ich mehr Deltafliegen als Politik gemacht, wo ich eine Jungfrau bin, ein totaler Anfänger, der vor sechs Monaten „aufgewacht” ist und wo ich nicht vorhabe, alt zu werden (der freie Flug ist eine harte Droge, die mich schnell wieder im Griff haben wird).

 

Ich bin also niemandes „Hintermann” (witzige Frage, die ich kürzlich erhalten habe).

 

Ich bin ein einfacher Bürger der „Basis“ … :o)

 

Ich habe Vorschläge zur Veröffentlichung auf Webseiten oder in Zeitschriften erhalten, die ich angenommen habe, ohne nachzuprüfen, ob dahinter der CIA oder der KGB steht. Zahlreiche Webseiten haben bereits Links zu dem Text veröffentlicht, manchmal sogar ohne es mir zu sagen, und das ist gut so.

 

Ich möchte wahrscheinlichen künftigen Verleumdungen auf der Grundlage einer hastigen politischen Etikettierung im Hinblick auf eine leichte Diskreditierung zuvorkommen. Ich bin kein Politiker, ich strebe nicht danach, einer zu werden, ich gebe auch nicht vor, Jurist zu sein, um auf angeberische Art meinen Standpunkt aufzuzwingen, sondern um mein Vorgehen zu verdeutlichen, ich bin im Übrigen kein wirklicher Jurist, ich habe vor allem eine Ausbildung als Jurist, das ist aber jedenfalls nicht von Bedeutung, denn ich möchte, dass die Debatte weiterhin auf den Kern des Problems konzentriert bleibt, ohne auf einen sterilen und manchmal böswilligen Personensteit oder die Unterstellung übler Absichten abzugleiten, deren tieferen Sinn besonders die  Politikkommentatoren kennen.

 

Machen Sie mich auch nicht für alles verantwortlich, was aus diesem Text wird, für alle absehbaren Vereinnahmungen und Verdrehungen. Jeder wird verstehen, dass er mir aus der Hand gleitet und ein selbständiges Leben führt … :o)

 

Ich versuche nicht, irgendwen zu manipulieren: vielleicht täusche ich mich bei meiner Analyse, ich warte einfach darauf, dass mir das bewiesen wird und eine achtungsvolle Debatte ist immer fruchtbar: „bei einer Diskussion gehen einem ganze Kronleuchter auf”, pflegte mein Vater zu sagen, als ich klein war.

 

Bitte halten Sie sich vor allem an die Ideen und Argumente, gehen Sie die Debatte an, als ob ihr Gesprächspartner gutgläubig wäre, ohne schwarze Hintergedanken, und lassen Sie es nicht zu, dass die Analyse von Nebensachen überfrachet wird.

 

Diese wichtige Debatte ist Sache gewöhnlicher Sterblicher, das ist Demokratie in ihrer ganzen Schönheit, lassen Sie sie nicht von Fachleuten vereinnahmen. Lesen Sie, denken Sie nach und ergreifen Sie ohne Komplexe das Wort :o)

 

Werfen Sie mir nicht mögliche Fehler vor, als wäre ich unehrlich: sie sind voraussehbar, vorgesehen und keinesfalls endgültig wenn man ehrlich danach strebt, das eigentliche Anliegen dieses Vertrags ausfindig zu machen: geben Sie zu, dass mit diesem verzwickten und sibyllinischen Text die Aufgabe nicht gerade einfach ist, und dass wir zu mehreren viel stärker sind, um eine Kritik auszufeilen, die (vielleicht) am Ende unwiderlegbar wird.

 

Auch haben Sie sicher verstanden, dass sich dieser Text durch Ihre Beiträge weiterentwickelt, verbessert, er ist daher datiert. Um ihn in Umlauf zu bringen und um sicher zu gehen, dass es sich um die letzte Fassung handelt, wäre es gut, wenn Sie ein Link zur Webseite verschicken, anstatt eine unveränderbare pdf-Datei.

 

Ich möchte hier tausenden von Personen meinen wärmsten Dank aussprechen, die mir ihre Begeisterung mitgeteilt haben, das berührt mich stark, kann ich Ihnen sagen, seit ich diesen Aufruf zu einer Debatte in Gang gesetzt habe, wie man eine Flasche ins Meer wirft. Ich wollte eine Debatte, jetzt habe ich die Geister, die ich rief :o).

 

Danke auch allen, die zutiefst uneinig mit meinen bilderstürmerischen Analysen, prachtvolle Mails geschrieben haben, sehr gut untermauert, achtungsvoll und die meine Befürchtung verstanden, ohne sie jedoch teilen zu können. Durch diese Gesprächspartner jeder Herkunft mache ich große Fortschritte, ich verändere mich, ich versuche, jedem einzeln zu antworten, aber das gelingt mir nicht mehr, ich dürfte mit um die 1500 Mails im Rückstand sein …

Seien Sie mir nicht böse, es ist einfach unmöglich, Sie sind zu viele.

 

Allen vielen Dank für Ihr aufmerksames und gutwilliges Zuhören :o)

 

EC

 

 

BIBLIOGRAPHIE

 

Zu den Büchern und Artikeln, die ich seit sechs Monaten gelesen habe, alle zutiefst pro-europäisch, sind ein paar davon ganz besonders hilfreich, um sich eine solid untermauerte Meinung zu diesem gefährlichen Text zu bilden und ganz allgemein, zum Aufbau Europas und der weltweiten Deregulierung:

  

•Raoul-Marc Jennar, Doktor der Politikwissenschaften, Forscher auf Kosten der NGO OXFAM, « Europe, la trahison des élites » (Europa, der Verrat der Eliten), 280 Seiten, Dezember 2004, Fayard: eine strenge und spannende Anklageschrift. Eine bestürzende Untersuchung zur Verzahnung des europäischen Räderwerks und des zutiefst antidemokratischen Abgleitens dieses Europa, das dauernd lügt. Wie die Verteidigung der Privatinteressen der Konzerne bereits den Platz des allgemeinen Interesses eingenommen hat. Die Kapitel über die WHO, GATS und ADPIC (Aspekte geistiger Eigentumsrechte, bezogen auf den Handel) sind besonders erbaulich. Ein wesentliches Buch, dringendst zu lesen. So sollten zum Beispiel alle Journalisten dieses Buch gelesen haben.

 

Lauent Lemasson, diplomiert am IEP Paris, Doktor für öffentliches Recht und Politikwissenschaft, Lehrbeauftragter am ESSEC, hat am 15 Dez. 2004 einen packenden Artikel geschrieben „Constitution européenne : l’Europe y trouve-t-elle son compte ?” (Europäische Verfassung: Kommt Europa darin auf seine Kosten?): une Leserin hat mir diese Angabe vor einigen Tagen zugeschickt und ich denke, es ist die am feinsten argumentierte und die am eindringlichsten formulierte Analyse die ich zur Frage des Gleichgewichts und der Kontrolle der Gewalten zu Gesicht bekommen habe. Unbedingt zu lesen, Sie werden sie spannend finden. Zu finden auf der Webseite des Thomas More-Instituts :

 http://www.institut-thomas-more.org/showNews/24.       

Dieser Autor hat mich überrascht: er liest im VVE das Risiko eines Abgleitens zu einem Versammlungssystem (wo das Parlament selbst tyrannisch werden könnte, weil es kein Auflösungsverfahren gibt). Diesen Punkt gilt es also noch zu vertiefen, aber sein Ansatz ist wirklich fein und interessant. Zu lesen und wieder zu lesen.

Die beträchliche Gefahr, die der Europäische Gerichtshof darstellt, ebenfalls ohne Kontrolle, wird ebenfalls hervorgehoben, mit der Möglichkeit des Abgleitens zu einer „Regierung der Richter”.  Auch dieses völlig verkannte Thema muss vertieft werden.

 

•„Douze économistes contre le projet de constitution européenne” (Zwölf Wirtschaftswissenschaftler gegen den Entwurf für eine Europäische Verfassung), von Gilles Raveaud, Doktor der Wirtschaftswissenschaft, er unterrichtet am Institut d’études européennes, Universität Paris VIII, und elf anderen: eine bemerkenswerte, gut gestützte Analyse des gegenwärtigen, mehr wirtschaftlichen als politischen Entwurfs der Union, zum lesen:

http://www.legrandsoir.info/article.php3?id_article=2231 et http://econon.free.fr/index.html

 

•Paul Alliès, „Une constitution contre la démocratie ? Portrait d’une Europe dépolitisée” (eine Verfassung gegen die Demokratie? Porträt eines entpolitisierten Europa), 223 Seiten, März 2005, Climats: dieser Professor für Politikwissenschaften der Universität Montpellier I, der zunächst an die Grundlagen der Demokratie erinnert, zu denen ein authentischer verfassunggebender Prozess gehört, und danach erklärt, dass der Entwurf des VVE Europa verbietet, eine echte politische Kraft zu werden, kündigt das Ende einer wirtschaftlichen Regierung und schlimmer noch, eines demokratischen Ablaufs an.

 

•Stéphane Marchand, „ L’Europe est mal partie” (Europa auf dem Holzweg), 361 Seiten, Februar 2005, Fayard: dieser Journalist des Figaro schreibt in einem angenehm zu lesenden Stil, er schildert uns auf lebendige Weise das politische Europa, er verteidigt ein Europa der Zirkel. Ein trotz seines Titels optimistisches Buch, wirklich interessant.

 

• „La nouvelle Union européenne. Approches critiques de la constitution européenne” (Die neue europäische Union. Kritisches Herangehen an die europäische Verfassung), 182 Seiten, April 2005, Verlag XF de Guibert. Unter der Leitung von Olivier Gohin und Armel Pécheul, Vorwort von Jean Foyer, alle Professoren an der Universität: dieses wichtige Büchlein fasst die Analysen neun jungen Verfassungsfachleuten der Universität zusammen und bringt auf schlüssige Weise Argumente zu den Sachmängeln des VVE im Hinblick auf die Demokratie vor.

 

Anne-Marie Le Pourhiet, Professor für Öffentliches Recht, hat in Le Monde vom 11. März 2005, einen Artikel geschrieben, der das Wesentliche auf den Punkt bringt: „Qui veut de la post-démocratie ? “ (Wer möchte eine Post-Demokratie?): einen kurzen (eine Seite) und durchschlagenden Artikel: : http://www.non-2005.org/index.php?action=article&id_article=130747.     

 

Jean-Paul Fitoussi, ein ausgezeichneter Wirtschaftswissenschaftler, Universitätsprofessor am Institut d’Etudes Politiques de Paris, Präsident des wissenschaftlichen Rats des IEP von Paris, Präsident des OFCE und Generalsekretär der Internationalen Vereinigung für Wirtschaftswissenschaften, hat „La politique de l’impuissance“ (Die Politik der Ohnmacht), 160 Seiten, Januar 2005, Arléa geschrieben: ein spannendes Büchlein von Gesprächen mit Jean-Claude Guillebaud, um zu verstehen, wie Europa bewußt die Demokratie aufgibt und auf das wirtschaftliche Eingreifen durch die Staaten verzichtet. Durch das Erinnern an die Chronologie der großen Beschlussfassungen wird verständlich, welch unmerkliches Fortschreiten uns hierher gebracht hat. Fitoussi ist von erstaunlicher Folgerichtigkeit, eine  Hauptfigur der Wirtschaftsanalyse.

 

Raoul-Marc Jennar, „Quand l’Union Européenne tue l’europé” (Wenn die EU Europa tötet) 40 Seiten, Januar 2005: Broschüre, die einen gedrängten Überblick der  Argumente gegen den „Verfassungsvertrag“ gibt. Auch als DVD, wo Jennar selbst auf didaktische Weise und sehr ruhig drei Exposé über das GATS, die Bolkestein-Richtlinie und den Verfassungsvertrag ausführt. Man spürt darin sehr stark die erschreckende Kohärenz, die diese Texte untereinander verbindet. Wichtige Schriftstücke sind abrufbar auf www.urfig.org

 

Jacques Généreux, Wirtschaftswissenschaftler, „Manuel critique du parfait européen, les bonnes raisons de dire "non" à la constitution“ (Kritisches Handbuch des vollkommenen Europäers, 165 Seiten, Februar 2005, Seuil: ein weiteres ausgezeichnetes Büchlein, sehr klar, lebendig, beißend, gut argumentiert, mit einem zugleich wirtschaftlichen und sehr menschlichen Unterton. Noch ein begeistertes Plädoyer für ein echtes Europa!

 

•Dominique Strauss-Kahn, „ Oui ! Lettre ouverte aux enfants d’Europe” (Ja! Offener Brief an die Kinder Europas), 173 Seiten, Okt. 2004, Grasset: ein leicht zu lesendes Büchlein, das die Hauptpunkte des Vertrags mit einem energischen Stil gut verteidigt, angenehm zu lesen. Er wettert gegen die Vertragsgegner und beharrt auf den Durchbrüchen, die man mit einem Nein verlieren würde, aber er beruhigt sie nicht hinsichtlich der unanehmbaren Punkte des Textes.

 

•Laurent Fabius, „ Une certaine idée de l’europé” (Eine gewisse Idee von Europa), 125 Seiten, Nov. 2004, Plon: ein Büchlein ohne Längen, angenehm zu lesen, das gut zusammenfasst, was nicht annehmbar ist und das Nein entdramatisiert.

 

Yves Salesse, Mitglied des Regierungsrats, „Manifeste pour une autre Europé“ (Manifest für ein anderes Europa), 120 Seiten, Januar 2005, Le Félin: eine sehr genaue Argumentationskette, folgerichtig, konstruktiv. Angenehm zu lesen und lehrreich.

 

Yves Salesse hat auch einen kürzeren Artikel verfasst, der seine Analyse auf 10 Seiten zusammenfasst: „Dire non à la "constitution" européenne pour construire l’Europe“ (Für den Aufbau Europas Nein zur europäischen „Verfassung sagen“):

http://www.fondation-copernic.org/Flash-septembre2004.pdf

 

Ein kurzer halbstündiger Film fasst auf pädagogische Weise die von Jennar, Salesse und Cassen erfassten Klagen gegen den VVE zusammen: ein herunterladbarer Clip bei http://www.fondation-copernic.org/

 

Valéry Giscard d’Estaing, „ présente la Constitution pour l’Europe” (stellt die Verfassung für ein Europa vor), 396 Seiten, Sept. 2003, Albin Michel: die Einführung ist interessant, weil sie die Arbeiten des Konvents beschreibt, die aufgetauchten Schwierigkeiten, die getroffenen Entscheidungen. Der Hauptanteil des Buches besteht im Text des VVE, aber mit einer veralteten Numerierung.

 

Olivier Duhamel, „Pour l’Europe, le texte intégral de la Constitution expliqué et commenté” (Für ein Europa, der vollständige Verfassungstext, erklärt und kommentiert), Seuil 2004: eine Erklärung des Textes aus erster Hand, von einem großen Professor für Verfassungsrecht, der am Konvent und am Aufsetzen des VVE teilgenommen hat.

 

•Derzeit ist das Webportal http://www.rezo.net eine der hauptsächlichen nicht zensierten Informationsquellen, politisch sehr links orientiert, aber mit einer Überfülle an Materialien. Ich finde dort jeden Tag mindestens ein interessantes Schriftstück.

 

Bernard Maris, „Ah Dieu ! Que la guerre économique est jolie“ (Ach Gott! Wie hübsch ist doch der Wirtschaftskrieg) , November 1999, Albin Michel: zu einer Darstellung des Märchens vom „unvermeidlichen Wirtschaftskrieg“, mit einer sehr überzeugenden Parallele zum 1. WK: wie üblich, ist der Krieg nicht unvermeidlich, und die, die Kriegstreiberei machen, sind nicht die, die kämpfen und die leiden. Ein schöner Aufruf zur Fahnenflucht. Parallel zu setzen zur Religion der unbeeinträchtigen Konkurrenz (Wettbewerb), die vom „Verfassungsvertrag“ gepredigt wird, die durch Dumping-Maßnahmen im sozialen, steuerlichen und Umweltbereich schließlich die Staaten und die Völker gegeneinander aufbringt.

 

Bernard Maris, „Anti-manuel d’économie” (Gegenhandbuch für Wirtschaft), 355 Seiten, Oktober 2003, Bréal: ein wichtiges und köstliches Buch, um die Dummheit des Dogmas von der Religion des Marktes und der Konkurrenz zu verstehen. Ein Buch, das die wirtschaftlichen Theorien mit Fleisch und Blut versieht, das ein Loblied auf die Zusammenarbeit und die Kostenlosigkeit singt. Spannend, oft witzig. Ein herrliches Buch, zum Lesen und Wiederlesen. Ein begeisternder Wirtschaftler.

 

Agnès Bertrand und Laurence Kalafatides,OMC, le pouvoir invisible(WHO, die unsichtbare Macht), 325 Seiten, 2003, Fayard: ein anschauliches und aufklärendes Buch, um die Ziele und die Mittel dieser riesigen Deregulierungsmaschine zu begreifen, die GATT dann die WHO als Zwangsmittel für die Staaten aber nie für die Unternehmen darstellen. In diesem Buch wird sehr stark der perfekte Zusammenhang zwischen diesen Zielen und den Einflüsssen der WHO und der des Aufbaus des gegenwärtigen Europa spürbar.

 

Joseph E. Stiglitz, „La grande désillusion“ (die große Enttäuschung), 324 Seiten, September 2003, Fayard : ein Lichtblick auf weiter Flur: ein großer liberaler Wirtschaftler, Chef der Weltbank, der mit den Größten dieser Welt gearbeitet hat und der in Einzelheiten den blinden und kriminellen Dogmatismus der liberalen Technokraten des IWF und seine Auswirkungen auf die Wirtschaften und die Völker beschreibt. Ein eleganter Stil, 0% Fettgehalt. Ein wichtiges Buch, eine Referenz. Zu lesen.

 

•Um die Gesamtlogik dessen zu verstehen, was auf planetarischer Ebene Gestalt anzunehmen beginnt, muss man den sowohl erschreckenden wie sonnenklaren Artikel von Lori M. Wallach, „Le nouveau manifeste du capitalisme mondial“ (Das Neue Manifest des Weltkapitalismus), in Le Monde Diplomatique vom Februar 1998, zum Multilateralen Abkommen über Investitionen (MAI) lesen, (einer dieser „Dracula-Beschlüsse“, die deswegen so genannt werden, weil sie kein Licht vertragen, so unannehmbar sind sie) :

http://www.monde-diplomatique.fr/1998/02/wallach/10055

Man nimmt dort wie dank einer Karikatur die Logik wahr, die zahlreichen, heute in Vorbereitung befindlichen wesentlichen Texten und Abkommen zu Grunde liegt: GATS, Aufbau eines liberalen Europa, WHO, ADPIC (Aspekte geistiger Eigentumsrechte, bezogen auf den Handel), Bolkestein-Richtlinie, usw. Die Verwandtschaft all dieser Texte wird klar: ein furchterregendes „Familienalbum“.

 

Serge Halimi, „Le grand bond en arrière, comment l’ordre libéral s’est imposé au monde” (der große Rücksprung, oder wie sich die liberale Ordnung in der Welt durchgesetzt hat), 618 Seiten, März 2004, Fayard: ein dicker Schinken, an Hand dessen man verstehen lernt, wie wir an diesen Punkt gelangt sind. Man findet diesen Gesamtzusammenhang wieder, und man liest den VVE nicht mehr auf dieselbe Weise, nachdem man Jennar und Halimi gelesen hat. Man verändert sich. Man hat den Eindruck, aufzuwachen.

 

Robert Joumard und Christian Darlot, zuletzt, anscheinend einfache Bürger wie du und ich,  haben denselben Ansatz gemacht: sie haben viel gelesen, verdaut, das alles mit viel Talent zusammengefasst, zusammengesucht, organisiert, um davon zwei ein bißchen lange, aber wirklich sehr interessante Synthesen wie meine zu machen.

Zwei gut gemachte Dokumente bei: http://institut.fsu.fr/chantiers/europe/traite_constit/joumard.pdf und Liens.

 

O  O  O  O  O

 

 

 

ANMERKUNGEN

 

[1]  Ich bin Professor für Wirtschaft und Geschäftsführung am Marcel-Pagnol-Gymnasium von Marseille, Abschlussrichtung Technologie und Wissenschaft. Ich war lange Lehrer für Zivilrecht, Handels- und Verfassungsrecht der Abitursklasse, und Lehrer für Steuerrecht der Abschlussrichtung Buchhaltung. Heute bin ich im Wesentlichen EDV-Lehrer und Webmaster des Netzes für die 150 PCs an meinem Gymnasium. Ich bringe die Sprache auf meinen Beruf als Lehrer, damit man meinen Geschmack am Erklären versteht, und keineswegs um mich eines unverdienten Machtworts zu bedienen. Tatsächlich bin ich kein Universitätsprofessor, kein Professor für Öffentliches Recht, kein Fachmann in Verfassungsrecht. Aber meine Ausbildung als Jurist (Diplom) hat mir den Geschmack am Recht vermittelt und ich spreche hier als einfacher Bürger, der sich über das zu Beginn des Jahres 2005 festgestellte Ausbleiben einer Debatte wundert. Ich mache sicherlich Fehler, berichtige sie aber, wenn man mich auf sie aufmerksam macht. Ich möchte, dass die Bürger selber, so wie sie sind, genauso wie ich, ohne jede Kenntnis des Gemeinschaftsrechts, eingeladen werden sollten, über ihre Verfassung nachzudenken und dass dieser Text von dazu gewählten Vertretern mit einem den Umständen angemessenen politischen Programm ausgearbeitet werden sollte. Meiner Meinung nach darf diese Debatte von den Fachleuten vereinnahmt werden. Vielleicht wird er es zuletzt sein.

Dieser Text ”Eine schlechte Verfassung … ” gleitet mir heute vollständig aus den Händen. Alles was ich tun kann, und das ist  der ursprüngliche Gedanke, ist, meine Fehler zu korrigieren oder die schlechten Formulierungen und ihn hie und dort zu vervollständigen, je nach meiner Lektüre, die weitergeht und den zahllosen Ratschlägen meiner gutmeinenden Leser.

 

[2] Geltungdauer des Textes: Art. IV-446 : „Der Vertrag gilt auf unbegrenzte Zeit.”

 

[3]  Liste der Bereiche, in denen Europa zuständig ist:

Artikel I-13: „Bereiche mit ausschließlicher Zuständigkeit: §1 Die Union hat ausschließliche Zuständigkeit in folgenden Bereichen: a) Zollunion, b) Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln, c) Währungpolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, d) Erhaltung der biologischen Meeresschätze im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik, e) gemeinsame Handelspolitik. §2 Die Union hat ferner ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Übereinkünfte, wenn der Abschluss einer solchen Übereinkunft in einem Gesetzgebungsakt der Union vorgesehen ist, wenn er notwendig ist, damit sie ihre interne Zuständigkeit ausüben kann, oder soweit er gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte.“ Artikel I-14: „Bereiche mit geteilter Zuständigkeit: §2 Die geteilte Zuständigkeit erstreckt sich auf die folgenden Hauptbereiche: a) Binnenmarkt b) Sozialpolitik hinsichtlich der in Teil III genannten Aspekte c) wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt, d) Landwirtschaft und Fischerei, ausgenommen die Erhaltung der biologischen Meeresschätze, e) Umwelt f) Verbraucherschutz g) Verkehr, h) transeuropäische Netze, i) Energie j) Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, k) gemeinsame Sicherheitsanliegen im Bereich der öffentlichen Gesundheit hinsichtlich der in Teil III genannten Aspekte. (…) “

 

Zu den ausschließlichen Zuständigkeiten, vgl. Art.I-13, §1: „(..) e) gemeinsame Handelspolitik. (…)“

Die nationalen Parlamente sind so vollständig einer noch so geringen Fähigkeit enthoben, Einfluß beispielweise auf die internationalen Handelsabkommen (GATS, ADPIC und andere Mißstände der WHO) zu nehmen, obwohl das Leben der Bürger durch diese Abkommen tiefgreifenden Umwälzungen ausgesetzt wird, die sich in aller Stille vorbereiten.

 

[4] Höhere Rechtskraft der europäischen Richtlinien vor allen anderen nationalen und internationalen Richtlinien:

Art. I-6: „Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der der Union übertragenen Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedsstaaten. “ Hier spricht zum ersten Mal ein europäisches Abkommen ausdrücklich diese Regel aus.

Art. I-12 : « §1 Überträgt die Verfassung der Union für einen bestimmten Bereich eine ausschließliche Zuständigkeit, so kann nur die Union gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen; die Mitgliedsstaaten drürfen in einem solchen Fall nur tätig werden, wenn sie von der Union hierzu ermächtigt werden oder um Rechtsakte der Union durchzuführen“.

Siehe auch La primauté du droit communautaire sur la constitution française : l’abrogation implicite de la Constitution” (Der Vorrang des Gemeinschaftsrecht vor der französischen Verfassung), von Armel Pécheul, Professor an der Universität Angers (20 Seiten), Kap. 3 des Buchs "La nouvelle Union européenne. Approches critiques de la Constitution européenne", (Die neue europäische Union. Kritisches Herangehen an die Europäische Verfassung) (XF de Guibert).

 

[5] Vgl. auch die Argumente von Olivier Gohin, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Paris II: der neue Vertrag ist eine Verfassung (Organisation der Gewalten und Garantie der Freiheiten, mit der Festlegung einer verfassunggebenden Gewalt) und die Union ist ein Staat (mit einem Gebiet,  einem Volk, Staatsgewalten und einer Souveränität der Zuständigkeiten: http://www.non-2005.org/index.php?action=article&id_article=127743.

 

Gewisse Professoren gehen noch weiter: „die durch Art. I-7 eingesetzte Rechtspersönlichkeit der Union” muss gemäß François-Guilhem Bertrand, emeritierter Professor émérite der Universität Paris XI, „zusammen mit dem Urteil vom 31 März 1971 des Gerichtshofs AETR gelesen werden, das entscheidet, dass die Europa verliehene Persönlichkeit diejenige der Mitgliedsstaaten aufhebt und ihnen untersagt, in Erscheinung zu treten, wenn sich Europa äußert.“ (siehe vorhergehendes Link).

 

Das ist vielleicht übertrieben, vielleicht ist es die Wirklichkeit, vielleicht ist das gut oder schlecht, ich habe dazu keine feste Meinung, aber man könnte wenigstens darüber diskutieren, anstatt so zu tun, als stünde nichts an. 

 

Art. I-33 : Rechtsakte der Union: §1: Bei der Ausübung der Zuständigkeiten der Union bedienen sich die Organe nach Maßgabe von Teil III, folgender Rechtsakte: Europäisches Gesetz, Europäisches Rahmengesetz, Europäische Verordnung, Europäischer Beschluss, Empfehlung und Stellungnahme.

Das Europäische Gesetz ist ein Gesetzgebungsakt mit allgemeiner Geltung. Es ist in allen seinen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Das Europäische Rahmengesetz ist ein Gesetzgebungsakt, der für jeden Mitgliedstaat, an den es gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überläßt.

Die Europäische Verordnung ist ein Rechtsakt ohne Gesetzcharakter mit allgemeiner Geltung; sie dient der Durchführung der Gesetzgebungsakte und einzelner Bestimmungen der Verfassung. Sie kann entweder in allen ihren Teilen verbindlich sein und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten oder für jeden Mitgliedssaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sein, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlassen.

Der europäische Beschluss ist ein Rechtsakt ohne Gesetzescharakter, der in allen seinen Teilen verbindlich ist. Ist er an bestimmte Adressaten gerichtet, so ist er nur für diese verbindlich.

Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich.“

 

[6]   Die meisten dieser Grundsätze stehen unter anderem in dem Buch von Paul Alliès, Professor für Politikwissenschaften der Universität Montpellier I, „Une constitution contre la démocratie ? Portrait d’une Europe dépolitisée“ (Eine Verfassung gegen die Demokratie? Porträt eines entpolitisierten Europa). Noch ein absolut spannendes Buch. Auszug (jedes Wort zählt):

„Der Aufbau Europas hat klammheimlich die Tradition der Volkssouveränität in Gefahr gebracht, die die Ausübung der Macht durch die Staatsgewalt rechtfertigte, deren Beschlüsse nur ein Ausfluss des souveränen Volkes war. Er hat es auf zweierlei Art gemacht: einerseits weiß das europäische Verfassungsrecht nichts von einem verfassunggebenden Souverän; so dass die Beschlüsse der Autoritäten, einem Gebilde, der Union zugeschrieben werden, die keine politische Gemeinschaft ist. Andererseits wird es immer schwieriger, die von den europäischen Richtlinien hergeleiteten nationalen Richtlinien dem Volk, das die Verfassung jedes Mitgliedsstaats als Souverän verkündet, zuzuschreiben. Wir betreten also ein unbekanntes System, das der Union, wo weder die geltende Abkommen noch die Verfassung irgendeinen „Souverän” bezeichnen. Keiner der Texte hat eine rechtmäßige Quelle für die Macht der Union nennen können, um besser so tun zu können, als ob das Erbe einer Staat um Staat zerstückelten Volkssouveränität respektiert würde. Das Problem liegt nicht darin, zu wissen, ob es ein europäisches Volk soziologisch oder kulturell gibt. Es geht darum, die politische Natur der Union durch die Begründung der Macht, die sie enthält, zu klären. Bisher erfand die verfassunggebende Macht ein Volk und ließ es leben. Jetzt erfindet eine Verfassung eine Autorität ohne Untertan und Endzweck.” (Seite 57)

 

 

[7] Europäischer Verfassungsvertrag: Wie kann man sich den vollständigen Text beschaffen?

DE: www.rgre.de/schlagzeilen/verf-amtsblatt.htm

FR: http://www.constitution-europeenne.fr

 

Vor der Abstimmung zu lesen:

   a/ Le traité établissant une Constitution pour l’Europe (Der Vertrag über eine Verfassung für Europa) - 349 Seiten.

   b/ Die Protokolle und Anhang I und II - 382 Seiten.

 Das „Addendum 1 zu Dokument CIG 87/04 REV 1” genannte Dokument.

   c/ Die der Schlußakte der CIG beigefügten Nachträge und die Schlußakte – 121 Seiten. Das „Addendum 2 zu Dokument CIG 87/04 REV 2 betitelte Dokument.

      Insgesamt : 349 + 382 + 121 = 852 Seiten der Fassung von Ende 2004.

Die derzeit (Mitte April 2005) verfügbare Fassung ist inzwischen kompakter: eine einzige pdf-Datei mit 485 Seiten. Mit enger Schrift und kleinen Buchstaben kann der Text auf Zeitungsblättern untergebracht werden, auf weniger als fünfzig Seiten.

Zum Vergleich ist die französische und die amerikanische Verfassung je ungefähr 20 Seiten lang.

Andere Maßeinheiten, die den typographischen Schwankungen weniger ausgesetzt sind, sind die Wörter und Buchstaben: die europäische Verfassung enthält 70.904 Wörter, also 14,7 mal mehr als die französische Verfassung, und 441.895 Buchstaben (gegenüber 46.515).

Schließlich noch ein interessantes Link, mit dem zahlreiche Verfassungen auf der ganzen Welt miteinander verglichen werden können:

http://mjp.univ-perp.fr/constit/constitintro.htm

 

[8] Jedoch steht trotz seiner Länge nicht alles drin: eine so wesentliche Definition wie die der SIEG (services d’intérêt économique général, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, zitiert in Art. II-96, III-122, III-166), keinesfalls zu verwechseln mit den Öffentlichen Diensten, kommt auf den 852 (485) Seiten nicht vor: zu diesem Beispiel muss man im „Weißbuch“ der Kommission nachschlagen, um zu erfahren, dass die SIG und SIEG nicht synonym mit „öffentlichem Dienst” sind.

http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/services_general_interest/index_fr.htm , S. 23: « Il  convient de souligner que les termes "service d'intérêt général" et "service d'intérêt économique général" ne doivent pas être confondus avec l'expression "service public" … (Es muss betont weden, dass die Begriffe „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse” und „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ nicht mit dem Ausdruck ”öffentlicher Dienst“ verwechselt werden dürfen (…).

 

[9]   Man muss alle Seiten bis zum Schluß lesen: die Auslegung der Charta der Grundrechte der Union wird außerhalb der eigentlichen Verfassung beschrieben, in einem Erklärung 12 genannten Text:die Präambel der Charta sieht vor, dass „In diesem Zusammenhang die Auslegung der Charta durch die Gerichte der Union und der Mitgliedstaaten unter gebührender Berücksichtigung der Erläuterungen [erfolgt], die unter der Leitung des Präsidiums des Konvents zur Ausarbeitung der Charta formuliert und unter der Verantwortung des Präsidiums des Europäischen Konvents aktualisiert wurden.“ 

In dieser Erklärung Nr. 12 findet sich manchmal das Gegenteil dessen, was die Charta laut und deutlich behauptet. Wenn beispielsweise in Artikel II-62 das Recht auf Leben und das Verbot der Todesstrafe bestätigt wird, führt Artikel 2, Seite 435 der Erklärung Nr. 12 (wer spricht hier noch von einem lesbaren Text?) aus: “Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um:

a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;

b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;

c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.“

Derselbe Artikel führt aus: „Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die ihm Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden...“.

Man stellt also fest, dass in der Charta selbst nicht alles gesagt wird und man gut daran tut, alle Seiten zu lesen.

 

 

[10] Die Gefahr der Rechtsakte „ohne Gesetzescharakter” die der (nicht gewählten) Kommission gestatten, verbindliche Regeln mit allgemeiner Geltung zu schaffen, ist vom Gegen-Bericht der Konventionsmitglieder angeprangert worden, die den VVE für nicht demokratisch halten. Ein interessantes Dokument, zu lesen bei:

http://bellaciao.org/fr/article.php3?id_article=14058

Für die Rechtsakte der Union siehe Art. I-33, obenstehende Anmerkung.

 

[11] Die verbindlichen Weisungen politischer Art sind zu zahlreich, um sie alle zu zitieren. Unter anderem legen mehr als dreihundert Artikel in Teil III die Wirtschaftpolitik der Union im Einzelnen fest.

 

[12]  Unabhängigkeit und Aufgaben der Zentralbank: Art. I-30 :« §1 Die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken bilden das Europäische System der Zentralbanken. Die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedsstaaten, deren deren Währung der Euro ist, bilden das Eurosystem und führen die Währungspolitik der Union §2. Das Europäische System der Zentralbanken wird von den Beschlussorganen der Europäischen Zentralbank geleitet. Sein vorrangiges Ziel ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Unbeschadet dieses Ziels unterstützt es die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union, um zur Verwirklichung ihrer Ziele beizutragen. Es führt alle weiteren Aufgaben einer Zentralbank nach Maßgabe des  Teils III und der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank aus. §3. Die Europäische Zentralbank ist ein Organ. Sie besitzt Rechtspersönlichkeit. Sie allein ist befugt, die Ausgabe des Euro zu genehmigen. Sie ist in der Ausübung ihrer Befugnisse und der Verwaltung ihrer Mittel unabhängig. Die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten achten diese Unabhängigkeit.“ ;

Art. III-188: „Bei der Wahrnehmung der ihnen durch die Verfassung und die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken undder Europäischen Zentralbank übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. […]“.

 

 

 

[13] Siehe Jean-Pierre Fitoussi, Universitätsprofessor am Institut d'Études Politiques von Paris, Präsident des Wissenschaftsrats des IEP von Paris, Präsident des OFCE und Generalsekretär der Internationalen Vereinigung für Wirtschaftswissenschaften Gespräche mit JC Guillebaud, „La politique de l’impuissance” (Die Politik der Ohnmacht), 2005, Arléa :

 

- JCG: „Sie sind dabei zu sagen, dass wir im Grunde aus Besessenheit mit der Inflationsbekämpfung buchstäblich der Arbeitslosigkeit zustimmen.”

- JPF: „Noch viel schlimmer! In einem ersten Schritt ist die Arbeitslosigkeit dazu verwendet worden, um die Inflation zu bekämpfen. Jeder „Zentralbankier” dieses Planeten weiß, dass er, wenn er die Zinssätze anhebt, einen Teil der verwundbarsten Kategorien der Bevölkerung arbeitslos macht. Nicht nur weiß er das, er macht es genau deswegen. Warum hebt man die Zinssätze an? Weil man davon überzeugt ist, dass die Nachfrage zu stark ist und die voll ausgelasteten Unternehmen sie nur befriedigen können, wenn sie ihre Preise erhöhen. Die kalte Dusche der Zinssätze verringert so die Nachfrage und veranlasst die Unternehmen zu Entlassungen.” (S. 45)   

(…)

- JCG: „Was meinen Sie zu den beiden damals [nach 1982] eingehämmerten Argumenten bezüglich der Inflation und der Einhaltung der  großen Gleichgewichte? Zuerst hat man gesagt, es sei legitim (einschließlich moralisch) die Inflation zu bekämpfen, weil sie die Ärmsten die Kosten dafür tragen lässt; zweitens, dass die großen Gleichgewichte einfach aus Achtung für und aus Großzügigkeit gegenüber den künftigen Generationen aufrechterhalten werden müssten, um unseren Kindern nicht eine zu große Last aufzubürden. Man hat diese Politik in gewisser Weise mit einem Diskurs von Großzügigkeit ummäntelt … “

- JPF: „ Das war eine doppelte Lüge. Wenn man die Zinssätze heraufsetzt, und sie vor allem, auf einem hohen Niveau hält, nachdem die Inflation überwunden worden ist, wußte man, dass man diejenigen begünstigt, die das finanzielle Kapital hielten und dass man die verwundbarsten Schichten der Bevölkerung vom Zugang zu den dauerhaften Gütern (die einen Rückgriff auf Darlehen benötigen) ausschloß. (…) Die zweite Lüge besteht darin, dass man aus der Schuldentilgung einen der wichtigsten Posten im Haushaltsplan des Staates machen würde, wenn die Zinssätze heraufgesetzt würden.” (S. 46)

 

- JPF: „Dass die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik der Union im Wesentlichen von jedem demokratischen Prozess unabhängig sei, läuft sowohl den politischen Traditionen der europäischen Völker zuwider und gefährdet gleichzeitig die wirtschaftliche Leistungskraft in ihrer Gesamtheit.” (S. 72)

 

- JPF : „Etwas übertrieben könnte man sagen, dass die „Wirtschaftsregierung” Europas einem aufgeklärten Despoten immer mehr zum Verwechseln ähnlich wird, der, geschützt vor dem Druck des Volkes, das Gemeinwohl in der Anwendung einer strikten Doktrin – dem Liberalismus – finden würde, von der angenommen wird, dass sie alle anderen bezüglich wirtschaftlicher Wirksamkeit übertrifft. Die Demokratie wäre also nicht das politische System, das am Besten im Stande wäre, das Allgemeininteresse zu erfassen; sie würde die Regierungen dem Druck aus dem Volk zu Gunsten einer Umverteilung aussetzen und damit in eine verwundbare Position bringen. Die Macht ist so in andere Hände übergegangen. Die Politiker haben es vorgezogen, sie unabhängigen Agenturen anzuvertrauen.  (…)

 

Es stimmt aber auch, dass der Aufbau Europas von Anfang an das Werk einer Demokratie der Eliten war, und nicht ganz einfach das einer Demokratie. Die Eliten haben sich jedoch verändert (…) heute neigen sie dazu, öffentliches Wohl und  Markt gleichzusetzen.“

 

Die Fortsetzung ist erbaulich … Ein wichtiges Büchlein, zu lesen …

 

 

[14]  Stabilitätspakt: Art. III-184 (2 Seiten) und Art. 1 des Protokolls Nr.10 zum Verfahren bei einem übermäßigen öffentlichen Defizit: „Die in Artikel III-184 Absatz 2 der Verfassung genannten Referenzwerte sind: a) 3 % für das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen, b) 60 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen […]“ Siehe auch die vorherige Anmerkung

 

[15]  Verbot, gegen die Wettbewerbsregel zu verstoßen: dieses Verbot steht überall im Text, es ist formell und verbindlich:

Art. III-166§1 Die Mitgliedsstaaten werden in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Bestimmungen der Verfassung und insbesondere deren Artikel I-4 Absatz 2 [Nicht-Diskriminierung] und den Artikeln III-161 bis III-169 [Wettbewerbsregeln] widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten. §2. Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Bestimmungen der Verfassung, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Bestimmungen nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft. §3. Die Kommission achtet auf die Anwendung dieses Artikels und erlässt erforderlichenfalls geeignete Europäische Verordnungen oder Beschlüsse.“

 

 

[16] „La politique de l’impuissance“ (Die Politik der Ohnmacht): ein glasklares Büchlein von Jean-Paul Fitoussi (Wirtschaftwissenschaftler ersten Ranges), der diese schrittweise Absetzung der politisch Verantwortlichen aus Mißtrauen vor der Demokratie aufzeigt. Siehe den Auszug weiter oben.

 

Siehe auch das begeisternde Buch von Jacques Généreux, „Manuel critique du parfait européen“ (Kritisches Handbuch des vollkommenen Europäers), das ebenfalls gegen die Einstellung der Mittel protestiert, auf europäischer Ebene in der Wirtschaft einzugreifen und gegen den blinden Dogmatismus, der diesen weltweit beispiellosen Wahnsinn unterstützt.

 

[17]Douze économistes contre le projet de constitution européenne” (Zwölf Wirtschaftler gegen den Entwurf für eine Europäische Verfassung), von Gilles Raveaud, Doktor der Wirtschaftswissenschaft, der am Institut d’études européennes, Universität Paris VIII unterrichtet, und elf anderen: eine bemerkenswerte, gut gestützte Analyse des gegenwärtigen, mehr wirtschaftlichen als politischen Entwurfs der Union, zum lesen:

http://www.legrandsoir.info/article.php3?id_article=2231 und  http://econon.free.fr/index.html

 

 

[18] Ordentliches Änderungsverfahren: Art. IV-443-3: „Eine Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten wird vom Präsidenten des Rates einberufen, um die an diesem Vertrag vorzunehmenden Änderungen zu vereinbaren. Die Änderungen treten in Kraft, nachdem sie von allen Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert worden sind.“

 

[19]  Zur Erinnerung: Artikel 28 der Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers aus dem Jahr I der französischen Republik (1793) führt aus: „Ein Volk hat stets das Recht, seine Verfassung nachzuprüfen, zu reformieren und zu verändern. Eine Generation kann die künftigen Generationen ihren Gesetzen nicht unterwerfen.”

 

[20] Vereinfachtes Änderungsverfahren:

Art. IV-444: „1. In Fällen, in denen der Rat nach Maßgabe von Teil III in einem Bereich oder in einem bestimmten Fall einstimmig beschließt, kann der Europäische Rat einen Europäischen Beschluss erlassen, wonach der Rat in diesem Bereich oder in diesem Fall mit qualifizierter Mehrheit beschließen kann. Dieser Absatz gilt nicht für Beschlüsse mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen. 2. In Fällen, in denen nach Maßgabe von Teil III Europäische Gesetze oder Rahmengesetze vom Rat nach einem besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden müssen, kann der Europäische Rat einen Europäischen Beschluss erlassen, wonach diese Europäischen Gesetze oder Rahmengesetze nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden können.

3. Jede vom Europäischen Rat auf der Grundlage von Absatz 1 oder Absatz 2 ergriffene Initiative wird den nationalen Parlamenten übermittelt. Wird diese Initiative innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung von einem nationalen Parlament abgelehnt, so wird der Europäische Beschluss nach Absatz 1 oder Absatz 2 nicht erlassen. Wird die Initiative nicht abgelehnt, so kann der Europäische Rat den Europäischen Beschluss erlassen.

Der Europäische Rat erlässt die Europäischen Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 2 einstimmig nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, das mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließt.“

 

[21] Vgl. die spannende Analyse von  Laurent Lemasson, diplomiert vom Institut d’Études Politiques von Paris, Inhaber eines Doktorats in Öffentlichem Recht und Politischen Wissenschaften, Lehrbeauftragter an der ESSEC, „Constitution européenne : l’Europe y trouve-t-elle son compte ?” (Europäische Verfassung: kommt Europa darin auf seine Kosten?), ein Dokument, das auf der Webseite des Thomas-More-Instituts gelesen werden kann: http://www.institut-thomas-more.org/showNews/24.  Zum Risiko einer Ausweitung der Vollmachten der Einrichtungen aus eigener Inititative und ohne direkte Zustimmung der Völker siehe Seite 10.

 

 

[22]  Ratifizierungsverfahrung für den Beitritt eines neuen Staates zur Union: Artikel I-58: „Kriterien und Verfahren für den Beitritt zur Union: (…) §2. Europäische Staaten, die Mitglied der Union werden möchten, richten ihren Antrag an den Rat. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente werden von diesem Antrag unterrichtet. Der Rat beschließt einstimmig nach Anhörung der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, das mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließt. Die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme werden durch ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten und dem antragstellenden Staat geregelt. Dieses Abkommen bedarf der Ratifikation durch alle Vertragsstaaten im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften.“

Letztere lassen das Ratifizierungsverfahren für den Beitritt eines neuen Mitglieds vom nationalen Recht abhängen. Im Februar 2005 hat das zu einem Kongress versammelte französische Parlament die französische Verfassung geändert, damit diese Ratifizierung zwangsläufig einer Volksabstimmung unterstellt wird: Artikel 2 des Änderungsgesetzes: „I. – Titel XV der Verfassung wird um den Zusatz eines Artikel 88-5 mit folgendem Wortlaut ergänzt : „Art. 88-5. – Der Präsident der Republik unterstellt jeden Gesetzesentwurf zur Genehmigung der Ratifizierung eines Abkommens über die Aufnahme eines Staates in die Europäische Union und in die Europäischen Gemeinschaften vom Präsidenten der Republik der Volksabstimmung." Wenn der Text „unterstellt“ sagt, hat dies zwingenden Charakter (im Recht gilt der Indikativ als Befehlsform).

 

 

[23] Ich verweise wieder auf die Lektüre des ausgezeichneten Artikels von Laurent Lemasson, Seite 5 : http://www.institut-thomas-more.org/showNews/24

 

[24] Ausschließlichkeit der Gesetzesinitiative für die ausführende Gewalt: Artikel I-26: „(…) §2 Soweit in der Verfassung nichts anderes festgelegt ist, darf ein Gesetzgebungsakt der Union nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden. Andere Rechtsakte werden auf der Grundlage eines Kommissionsvorschlags erlassen, wenn dies in der Verfassung vorgesehen ist.“

 

[25]  Ausschließliche Bereiche, wo die ausführende Gewalt allein Gesetze erlassen kann:

Art. I-34, §2: „In bestimmten, in der Verfassung vorgesehenen Fällen werden Europäisches Gesetz und Rahmengesetz nach besonderen Gesetzgebungsverfahren vom Europäischen Parlament mit Beteiligung des Rates oder vom Rat mit Beteiligung des Europäischen Parlaments erlassen.“ Auch hier anscheinend keine Liste der „der ausführenden-gesetzgebenden Gewalt” vorbehaltenen Bereiche (Montesquieu leidet sicherlich in seinem Grab darunter, dass es diese Wortverbindung geben darf): also muss man die 850 Seiten nach Artikeln durchstöbern, die ein gesetzgebendes Sonderverfahren vorsehen.

 

 Da diese Bereiche gewissermaßen eine von der parlamentarischen Kontrolle ausgenommene Freizone sind,  wüßte man einfach gern, welche die betroffenen Gebiete sind.

 

Da ich in den 852 Seiten meines Originaltextes nichts gefunden habe, habe ich folgende Erklärungen unter http://www.legrandsoir.info/article.php3?id_article=2157

gefunden:

Die 21 Bereiche, von denen das Parlament ausgeschlossen ist und wo der Ministerrat allein Beschlüsse fasst, sind von entscheidender Bedeutung: der Binnenmark, den Hauptanteil an der Gemeinsamen Agrarpolitik, Zollunion, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Sozialpolitik, die steuerlichen Vorschriften …”

 

Auf meine Frage nach den Quellen seiner Behauptungen, hat mir der Verfasser Jean-Jacques Chavigné, gleich die genauen Nummern der Artikel angegeben, mit folgendem Kommentar: es wird niemals schwarz auf weiß geschrieben stehen, dass das Parlament von der Entscheidung ausgeschlossen ist. Man muss verstehen, dass es ausgeschlossen ist, wenn ein Verfassungsartikel ausführt, dass die Entscheidung beim Ministerrat liegt und das Parlament gegebenenfalls bloß befragt wird oder nicht. (JJC)”

 

Die unglaubliche Undurchsichtigkeit des maßgeblichsten Textes, der doch vollkommen klar sein müsste, hier wird verständlich, warum.

 JJC fährt fort: „Hier also die wichtigsten Bereiche (oder die Teile eines Bereichs), wo der Rat allein entscheidet und wo das Parlament nicht mitbeschließt : (JJC bis Ende Anmerkung 16)”

 

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik:

Artikel III-295-1: „Der Europäische Rat bestimmt die allgemeinen Leitlinien der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, und zwar auch bei Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen“.

Artikel III-300-1: „Europäische Beschlüsse nach diesem Kapitel werden vom Rat einstimmig erlassen“.

Artikel III-300-2 : „Abweichend von Absatz 1 beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit (…) “

Die Rolle des Parlaments wird in Artikel III-304 -1 festgelegt: „Der Außenminister der Union hört und unterrichtet das Europäische Parlament (…) “

Artikel III-304-2: „Das Europäische Parlament kann Anfragen oder Empfehlungen an den Rat und den Außenminister richten.“

 

Binnenmarkt:

Artikel III-130-3:

„Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission die Europäischen Verordnungen oder Beschlüsse (…)“

 

Zollunion:

Artikel III-151-5: „Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission die Europäischen Verordnungen oder Beschlüsse zur Festsetzung der Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs.“

 

Wettbewerbsregeln:

Artikel III-163: „Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission die Europäischen Verordnungen zur Verwirklichung der in den Artikeln III-161 und III-162 [Wettbewerbsregeln] niedergelegten Grundsätze. Er beschließt nach Anhörung des Europäischen Parlaments.“

 

Gemeinsame Agrarpolitik:

Artikel III-231-2 : „Durch Europäisches Gesetz oder Rahmengesetz werden die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte (…) festgelegt (…)“

Der Ausdruck „Europäisches Rahmengesetz“ bedeutet, ohne weitere Ausführung, dass das in Artikel III-396 definierte ordentliche Gesetzgebungsverfahren zur Anwendung gelangt. Es handelt sich dann um eine gemeinsame Beschlussfassung von Europäischem Rat und Europäischem Parlament. Gegenüber den vorhergehenden Abkommen stellt dies einen Fortschritt dar.

 

Aber:

Artikel III-231-3: „Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission die Europäischen Verordnungen oder Beschlüsse zur Festsetzung der Preise, der Abschöpfungen, der Beihilfen und der mengenmäßigen Beschränkungen (…)“  Der Rat beschließt also allein, auf Vorschlag der Kommission, die Preise, die Beihilfen, die Quoten …

 

Steuerliche Vorschriften:

Article III-171 : „Durch Europäisches Gesetz oder Rahmengesetz werden Maßnahmen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsangaben und sonstige indirekte Steuern festgelegt, soweit diese Harmonisierung für die Verwirklichung oder das Funktionieren des Binnenmarkts und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig ist. Der Rat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses.“

 

Sozialpolitik:

Hier müssen drei Ebenen unterschieden werden:

1. Ebene: Bereich der gemeinsamen Beschlussfassung:

Artikel III-210-1:

a- Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt (…),

b- Arbeitsbedingungen,

e- Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer,

…..

h- berufliche Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen (…),

i- Chancengleichheit von Frauen und Männern (…),

j- Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung

k- Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes, unbeschadet des Buchstabens c.

2.Ebene: der Rat beschließt allein:

Artikel III-210-3: „Abweichend von Absatz 2 wird in den in Absatz 1 Buchstaben c, d, f und g genannten Bereichen das Europäische Gesetz oder Rahmengesetz vom Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments, des Ausschusses der Regionen sowie des Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig erlassen:

c- soziale Sicherheit und sozialer Schutz der Arbeitnehmer.

d- Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags

f- Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen, einschließlich der Mitbestimmung, vorbehaltlich des Absatzes 6

g- Beschäftigungsbedingungen der Staatsangehörigen von Drittländern, die sich rechtmäßig im Gebiet der Union aufhalten

3. Ebene: die Union (d.h. der Rat allein oder das Parlament mit dem Rat) ist nicht zuständig:

Artikel III-210-6: „Dieser Artikel gilt nicht für das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht.”

Was ein europäisches Mindesteinkommen unmöglich macht.

Was Artikel Artikel II-210-3-f seines Inhalts entleert.

Was Artikel II-88 seines Inhalts entleert: Das Streikrecht kann von der Union einem Mitgliedstaat, der es in seiner Gesetzgebung nicht vorsieht oder es aus seiner Gesetzgebung entfernt, nicht vorschreiben. Was den Vorteil hat, dass auch das „Aussperrungsrecht“ einer nationalen Gesetzgebung, die ein solches nicht anerkennen würde (wie beispielsweise die französische) nicht vorgeschrieben werden kann. (JJC)

 

 

[26] Lauent Lemasson, diplomiert am IEP Paris, Doktor für öffentliches Recht und Politikwissenschaft, Lehrbeauftragter am ESSEC, hat am 15 Dez. 2004 einen packenden Artikel geschrieben „Constitution européenne : l’Europe y trouve-t-elle son compte ?” (Europäische Verfassung: Kommt Europa darin auf seine Kosten?). Unbedingt zu lesen, Sie werden sie spannend finden. Zu finden auf der Webseite des Thomas More-Instituts :

http://www.institut-thomas-more.org/showNews/24.

 

[27]  Das Parlament kann die Kommission nur geschlossen zur Amtsniederlegung zwingen: Artikel I-26, §8: „Die Kommission ist als Kollegium dem Europäischen Parlament verantwortlich. Das Europäische Parlament kann nach Artikel III-340 einen Misstrauensantrag gegen die Kommission annehmen. Wird ein solcher Antrag angenommen, so müssen die Mitglieder der Kommission geschlossen ihr Amt niederlegen, und der Außenminister der Union muss ein im Rahmen der Kommission ausgeübtes Amt niederlegen.

Artikel III-340 : „ (…) Wird der Misstrauensantrag mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mit der Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments angenommen, so legen die Mitglieder der Kommission geschlossen ihr Amt nieder, und der Außenminister der Union legt sein im Rahmen der Kommission ausgeübtes Amt nieder.“

Ein Kommissionär kann vom Kommissionspräsidenten (der selber vom Parlament gewählt ist) „zum Rücktritt gezwungen” werden: Art. 1-27, letzter Absatz: „Ein Mitglied der Kommission legt sein Amt nieder, wenn es vom Präsidenten dazu aufgefordert wird.“

Aber Ministerrat und Europäischer Rat sind  niemandem gegenüber verantwortlich.

Der Rat ernennt die Kommissionsmitglieder (Art.1-27-2), aber nur der Präsident der Europäischen Kommission ist auf Vorschlag des Europäischen Rats vom  Europäischen Parlament gewählt. (Art. 1-27-1). Nicht das Parlament ist es, das den Präsidenten auswählt. Das Parlament ist auch nicht verantwortlich: niemand kann es auflösen.

 

 

[28] Yves Salesse, Mitglied des französischen Regierungsrats, „Manifeste pour une autre europé” (Manifest für ein anderes Europa), Seite 36 ff:

 

Die Machtbefugnis der Kommission wird überschätzt. Dem Recht nach wie in Wirklichkeit liegt die Macht grundsätzlich in Händen des Ministerrats. (…) Die Kommission ist nicht ohne Machtbefugnisse, aber sie ist dem ersteren untergeordnet. Sie besteht aus Politikern und Beamten der Staaten, die nicht mit diesen gebrochen haben. (…) So ist nicht nur die Machtbefugnis der Kommission untergeordnet, auch die Tendenz geht nicht in Richtung auf ihre Verstärkung. Im Gegenteil läuft sie auf eine Enteignung der Staaten hinaus.

Wenn sie vorgeben, von einem Beschluss überrascht worden zu sein, lügen sie.

 

Das Verkennen der Machtbefugnisse der Staaten hat politische Folgen. Sie stellt die Regierungen von ihrer Verantwortlichkeit bei europäischen Beschlüssen frei. Sie sind die ersten, die den Spruch propagieren: „Wir können nichts dafür, das daran ist Brüssel schuld.”

 

 

[29] Gute Erklärungen zu GATS gibt es auf der Webseite www.urfig.org (RM Jennar).

 

 

[30]  Zum Vorfall der den Parlamentariern, die die Vorbereitungspapiere zum GATS einsehen wollten, von Pascal Lamy beigebrachten Demütigungen in dem spannenden Buch von Raoul Marc Jennar, „Europe, la trahison des élites” (Europa, der Verrat der Eliten), Seite 64 ff, und insbesondere 70 und 71. Vgl. auch einen spannenden Artikel von Jennar mit dem Titel „Combien de temps encore Pascal Lamy ?” (Wie lange noch Pascal Lamy?), zu den beiden Abkommen GATS und ADPIC: http://politique.eu.org/archives/2004/04/11.html

 

 

[31]  Noëlle Lenoir, damals französischer stellvertretender Minister für Europäische Angelegenheiten der Regierung Raffarin, hat erklärt: „ Es würde reichen, eine Million Unterschriften in Europa zu sammeln, um die Kommission zu zwingen, ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten.” (Le Monde, 30.Oktober 2003).

 

[32]  Petitionsrecht:

Art. I-47-4 : « Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, können die Initiative ergreifen und die Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verfassung umzusetzen. Die Bestimmungen über die Verfahren und Bedingungen , die für eien solche Bürgerinitiative gelten, einschließlich der Mindestzahl von Mitgliedstaaten, aus denen diese Bürgerinnen und Bürger kommen müssen, werden durch Europäisches Gesetz festgelegt.“

Von einer Volksabstimmung schweizerischer Art, die den Wählern weis gemacht wird, sind wir meilenweit entfernt.

 

[33] Zu dem, was man des „Giscard-Konvents” vorwerfen kann, gibt es die Analyse von Robert Joumard, Seite 13 ff. Vgl. auch die von Christian Darlot, sowie diejenige von Paul Alliès (Professor für Politikwissenschaft der Universität Montpellier I), „Une Constitution contre la démocratie ?” (Eine Verfassung gegen die Demokratie?), S. 38 ff.

 

 

[34]  Hierzu gibt es die Stellungnahme von Pervenche Bérès, Mitglied der Giscard-Konvents und Mitverfasser des Textes, der jedoch das Endergebnis verleugnet, so sehr ist es durch die Regierungen im darauffolgenden Jahr entstellt worden, und der schließlich aufruft, „Nein“ zu stimmen, um Europa zu retten”:

http://www.ouisocialiste.net/IMG/pdf/beresMonde290904.pdf

 

[35] Zeitplan der Ratifizierungen:

 

Länder, die den Vertag ihrem Volk nicht unterstellen: Litauen (11. Dezember 2004), Ungarn (20. Dezember 2004), Italien (25. Januar 2005), Slowenien (1. Februar 2005), Deutschland (12. Mai 2005), Slowakei (Mai 2005), Zypern (Mai 2005), Österreich (Frühjahr 2005), Belgien (Frühjahr 2005), Griechenland (Frühjahr 2005), Malta (Juli 2005), Schweden (Dezember 2005 und obwohl 58 % der Schweden eine Volksabstimmung verlangen), Estland (2005), Finland (Ende 2005), Lettland (?).

 

Länder, die sich für eine Volkabstimmung ausgesprochen haben: Spanien (20. Februar 2005), Niederlande (1.Juni 2005), Frankreich (29. Mai 2005), Luxemburg (10. Juli 2005), Dänemark (27. September 2005), Portugal (Oktober 2005), Polen (Ende 2005), Vereinigtes Königreich (Frühjahr 2006), Tschechische Republik (Juni 2006), Irland (2006).

 

[36] RM Jennar hat Recht: man muss unsere Grundsätze bekräftigen und daran erinnern, dass am 26. Juni 1793 Artikel 35 der Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers aus dem Jahr I proklamiert: „Wenn die Regierung die Rechte des Volkes verletzt, ist der Aufstand für das Volk und für jeden Teil des Volkes das heiligste der Rechte und die unerlässlichste der Pflichten” („Europe, la trahison… ”, S. 218).

 

[37]  Nach dem berühmten Spruch von Lacordaire: „Zwischen dem Starken und dem Schwachen, zwischen dem Reichen und dem Armen, zwischen dem Herrn und dem Knecht ist es die Freiheit, die unterdrückt und das Gesetz, das befreit.”

Jeder kann voraussehen, was wird, wenn es freie Füchse auf einem freien Hühnerhof gibt.

Der Charme zügelloser Freiheit ist eine Schimäre, eine Fabel, ein Betrug.

 

[38]  Lesen Sie die Analysen auf den Webseiten von Acrimed über die Parteilichkeit der Medien in dieser Sache: http://www.acrimed.org/article1950.html

Zum Lesen auch den Artikel von Bernard Cassen in Le Monde Diplomatique: „Débat truqué sur le traité constitutionnel” (gefälschte Debatte zum Verfassungsvertrag):

www.monde-diplomatique.fr/2005/02/CASSEN/11908

 

 

 

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Sie können mir an die Adresse  etienne.chouard@free.fr schreiben, aber ich habe größte Mühe, Ihnen zu antworten, denn Sie sind zahlreich, entschuldigen Sie bitte.

écrivez-moi en français ou en anglais car je ne parle pas l’allemand ;o)

 

*Aus dem Französischen von Angela Anakonda

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